Benzinkosten Spritpreis frisst die Jobs weg

Die stetig steigenden Benzinpreise bringen nicht nur die Autofahrer in Bedrängnis. Inzwischen warnen mehrere Branchen vor drastischen Folgen für Firmen und Angestellte. Zehntausende deutsche Unternehmen stehen schon jetzt vor Kündigungen oder der Insolvenz.

Die massiven Preissteigerungen bei Energie und Rohstoffen drohen einer Umfrage zufolge hochgerechnet mehr als 50.000 deutsche Unternehmen ins Wanken zu bringen. Bei einer Befragung von 4000 mittelständischen Unternehmen durch die Wirtschaftsauskunftei Creditreform gaben Ende Juni 1,5 Prozent der Firmen an, wegen der hohen Kostenbelastung bereits jetzt vor der Geschäftsschließung zu stehen. Hochgerechnet auf den gesamten Mittelstand in Deutschland entspreche das einer Zahl von 51.000 Unternehmen, sagte ein Sprecher von Creditreform.

Allein im Einzelhandel befürchteten demnach 15.000 Firmeninhaber, das Geschäft aufgeben zu müssen. Im Verkehrs- und Logistiksektor sowie im Baugewerbe rechnen nach Hochrechnung von Creditrefom jeweils 5600 Unternehmen mit dem Aus. Weniger belastend seien die jüngsten Preissteigerungen bislang für unternehmensnahe Dienstleister, Firmen im Computerbereich, Forschungsunternehmen sowie für Unternehmen im Kredit- und Versicherungsgewerbe. Insgesamt gaben neun von zehn Unternehmen an, die Preissteigerungen hätten konkrete Auswirkungen. Bei mehr als jedem zweiten Unternehmen sinkt die Gewinnmarge.

Unternehmen wollen Preise erhöhen

Fast jedes zweite der befragten Unternehmen will die gestiegene Kostenbelastung in Form höherer Preise an die Kundschaft weitergeben. wie aus der Umfrage des Wirtschaftsinformationsunternehmens weiter hervorgeht. Ebenfalls fast jedes zweite mittelständische Unternehmen suche nach günstigeren Lieferanten, um die enorme Kostenbelastung abzumildern, ergänzte Creditrefom. Außerdem würden die höheren Kosten bei Energie und Rohstoffen Rationalisierungen in den Betrieben nach sich ziehen. Als weiterer Belastungsfaktor könnten sich die Kredit- und Finanzierungsbedingungen erweisen, wenn im Jahresverlauf die Erhöhung des Leitzinses in der Eurozone durchschlagen sollte.

Die Spediteure drohen angesichts der Rekord-Spritpreise mit Protesten. Der Reiseriese TUI Deutschland kündigte Preiserhöhungen an. Die Internationale Energie-Agentur (IEA) dämpfte Erwartungen, dass Öl wieder billiger werden könnte. Der Ölpreis-Schock ist auch ein zentrales Thema beim Gipfeltreffen der wichtigsten Industrieländer und Russlands (G8) im japanischen Toyako.

Expertin rechnet mit fast 2 Euro pro Liter Benzin

Die Ölpreise waren in den vergangenen Tagen über die Marke von 145 Dollar je Barrel (159 Liter) gestiegen. Daraufhin erreichten auch die Spritpreise in Deutschland Rekordmarken: Ein Liter Benzin kostete nach Angaben aus der Branche durchschnittlich 1,60 Euro, Diesel 1,56 Euro. DIW-Expertin Claudia Kemfert warnte, bei dem in der Branche erwarteten Ölpreis von 170 Dollar je Barrel würde ein Liter Benzin in Deutschland 1,75 Euro kosten. Bei 200 Dollar je Barrel würden beim jetzigen Euro-Dollar-Kurs 1,95 Euro je Liter Benzin fällig werden, sagte sie "Euro am Sonntag" und dem "Tagesspiegel".

Akuten Alarm schlägt die Verkehrsbranche. "Für das Transportgewebe ist die Dieselpreisbelastung katastrophal", sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes Verkehrsgewerbe Niedersachsen, Bernward Franzky, der dpa. Innerhalb eines Jahres seien die Kosten pro Lastwagen um 12.000 Euro gestiegen. Hinzu komme die geplante Erhöhung der Lkw-Maut im Schnitt von 13,5 auf 16,3 Cent pro Kilometer. "Das macht pro Lastwagen pro Jahr noch einmal eine Mehrbelastung von 9500 Euro."

3000 Speditionen droht Insolvenz

Bundesweit drohten rund 3000 Speditionen in die Insolvenz zu gehen, sagte Franzky. Dies wären vier Mal mehr als im vergangenen Jahr. Derzeit gebe es bundesweit rund 51.000. Die Speditionen hätten große Schwierigkeiten, die höheren Kosten an die Kunden weiterzugeben. Auch aus anderen Branchen wie der Luftfahrt, heißt es, der harte Wettbewerb erlaube es kaum, die höheren Energiepreise an die Kundschaft durchzureichen. "Auf der Langstrecke holen wir etwa ein Drittel unserer Mehrkosten wieder rein. Doch innerhalb Europas ist dies nur in geringerem Ausmaß oder gar nicht möglich. Hier sind die Preise generell bereits stark unter Druck", sagte Swiss-Chef Christoph Franz der "WirtschaftsWoche".

TUI kündigte an, in der neuen Saison würden Reisen etwa in Mittelmeerländer würden durchschnittlich 2,9 Prozent teurer, Ziele mit eigener Anreise um 1,8 Prozent. Der Reisekonzern erwarte aber keine Einbußen. Die Ausgabebereitschaft für Urlaubsreisen bleibe hoch, sagte TUI-Deutschland-Chef Volker Böttcher.

Arbeitsminister befürchtet keine wirtschaftliche Schäden

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) trat Befürchtungen entgegen, die rasant steigenden Kosten für Energie und Rohstoffe könnten der deutschen Wirtschaft auf breiter Front schaden. Die Wirtschaft sei "stabil genug, das auszuhalten", sagte er der "Welt am Sonntag". SPD-Fraktionschef Peter Struck rief zu einer Senkung des Energieverbrauchs auf. Die Bundesregierung setzt als Alternative zum Öl verstärkt auf Windkraft mit dem Bau von bis zu 30 Windparks in der Nord- und Ostsee, berichtete die "Welt am Sonntag". Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee habe einen entsprechenden Raumordnungsplan fertiggestellt. "Wir setzen auf regenerative Energien und nicht auf Atomkraft", sagte der SPD-Politiker der Zeitung.

DPA
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