Nun ist es entschieden: Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt besteht in Deutschland eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, über die in der Ampel-Regierung, in der Wirtschaft und unter Arbeitsrechtlern derzeit noch heftig diskutiert wird. Die Präsidentin des höchsten deutschen Gerichts für den Bereich, Inken Gallner, begründete die Pflicht von Arbeitgebern zur systematischen Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten mit der Auslegung des deutschen Arbeitsschutzgesetzes nach dem sogenannten Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Arbeitszeit-Urteil ein Paukenschlag
Fachleute rechnen damit, dass das BAG-Grundsatzurteil weitreichende Auswirkungen auf die bisher in Wirtschaft und Verwaltung tausendfach praktizierten Vertrauensarbeitszeitmodelle bis hin zu mobiler Arbeit und Homeoffice haben wird, weil damit mehr Kontrolle besteht. Nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz müssen bisher nur Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden, nicht die gesamte Arbeitszeit. Der Bonner Arbeitsrechtsprofessor Gregor Thüsing nannte die Entscheidung der Bundesarbeitsrichter einen Paukenschlag.
Friseurbesuch oder Pornos schauen: Was darf ich im Homeoffice machen?

Sie fiel nach Verhandlung eines Falls aus Nordrhein-Westfalen, bei dem ein Betriebsrat mit der Forderung scheiterte, ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zu bekommen. Eine betriebliche Mitbestimmung oder ein Initiativrecht sei ausgeschlossen, wenn es bereits eine gesetzliche Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung gibt, begründete das Bundesarbeitsgericht seine Entscheidung.
Verlässliche Arbeitszeiterfassung kommt
Mit seinem Grundsatzurteil preschte das Bundesarbeitsgericht in der Debatte um die Änderung des deutschen Arbeitszeitgesetzes vor. Die Bundesregierung arbeitet noch daran, die EuGH-Vorgaben von 2019 zur Einführung einer objektiven, verlässlichen und zugänglichen Arbeitszeiterfassung in deutsches Recht umzusetzen.
Gallner, Vorsitzende Richterin des Ersten Senats, verwies auf einen Passus im Arbeitsschutzgesetz, der Arbeitgeber verpflichte, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. "Wenn man das deutsche Arbeitsschutzgesetz mit der Maßgabe des Europäischen Gerichtshofs auslegt, dann besteht bereits eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung", sagte sie in der Verhandlung.