Chinas schrumpfende Industrie Der Weltmotor stottert

Von Martin Kälble und Fabian Löhe
Staatsschuldenkrisen hin, nervöse Märkte her - auf das Wachstum in China war stets Verlass. Nun gehen Industrieproduktion und Exportaufträge zurück.

Chinas Industrie ist im November erstmals seit knapp drei Jahren nicht mehr gewachsen. Der offizielle chinesische Einkaufsmanagerindex (PMI) fiel auf 49 Stellen von 50,4 Zählern im Oktober. Das geht aus den veröffentlichten Daten der Logistikvereinigung CFLP hervor. Die Exportaufträge gingen deutlich zurück.

Die Daten sind ein Signal dafür, dass die chinesische Wirtschaft weiter an Fahrt verliert. Denn sie verstärken die Sorgen vor einer Abschwächung der Weltwirtschaft. Die boomende chinesische Volkswirtschaft ist eine der wichtigsten Stützen der globalen Konjunktur. In diesem Jahr verlangsamte sich jedoch das fulminante Wirtschaftswachstum in der Volksrepublik. Ein Grund dafür sind die wirtschaftlichen Probleme der wichtigsten Absatzmärkte Europa und USA.

Chinas Wachstum bleibt im Vergleich zum Westen stark

Der PMI-Index pendelte seit Juni um 50 bis 51 Stellen. Ein Wert über der Marke von 50 Punkten signalisiert Wachstum. Chinas Wirtschaft "wendet sich von Expansion zu Kontraktion", kommentiert der Analyst Zhang Liqun den gesunkenen PMI-Wert auf der Webseite des CFLP. Die Wachstumsrate der chinesischen Wirtschaft werde "künftig weiter sinken".

Während bei Industrieländern Werte unter 50 Punkten in Einkaufsmanagerumfragen eine Schrumpfung der Wirtschaftsaktivität bedeuten, gilt das jedoch nicht im Falle Chinas. "Hier signalisieren Werte unter 50 lediglich eine Verlangsamung, aber keineswegs einen Rückgang der Wirtschaftsaktivität", sagte Michael Ganske, Schwellenland-Chefvolkswirt der Commerzbank. Davon sei China weit entfernt. Insgesamt dürfte das Wachstum der chinesischen Wirtschaft im November deutlich abgeschwächt, aber unterm Strich weiter hoch für westliche Maßstäbe geblieben sein.

Unternehmer rechnen mit weniger Exportaufträgen

Auch bei der Allianz warnt man vor einer Überinterpretation der Daten aus dem Einkaufsmanagerindex. "Wir gehen davon aus, dass es der chinesischen Regierung gelingen wird, eine ,harte Landung' zu verhindern", schreibt der Volkswirt Gregor Eder in einer Analyse. Das Wachstum werde sich voraussichtlich im vierten Quartal auf etwa 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr abschwächen, nach 9,1 Prozent im dritten Quartal.

Grund dafür dürfte sein, dass sich besonders die Einschätzung der Unternehmen ihrer Exportaufträge kräftig verschlechterte. Der entsprechende Teilindex sank um drei Punkte auf 45,6 Punkte. Trotzdem schreibt der Allianz-Volkswirt: "Unsere Schätzung für das jahresdurchschnittliche Wirtschaftswachstum 2011 beträgt weiterhin 9,3 Prozent."

Am Mittwoch hatte Chinas Notenbank erstmals seit fast drei Jahren die Mindestreserve-Anforderungen für die Geschäftsbanken des Landes gesenkt, von 21,5 auf 21 Prozent. Ziel ist es unter anderem, die Wirtschaftsentwicklung anzutreiben. Dies war ein Hinweis darauf, dass sich die kommunistische Parteiführung in Peking erstmals wieder mehr um das heimische Wirtschaftswachstum sorgt als um die Kontrolle der Inflation. Die chinesische Wirtschaft ist auf ein starkes Wachstum angewiesen. In der Vergangenheit gab es in wachstumsschwächeren Zeiten soziale Unruhen.

FTD