Datenschutzskandal Telekom will neue Sicherheitskultur etablieren

Nach einer Reihe von Datenverstößen will die Telekom mit einer neuen Sicherheitskultur in Zukunft ethisches Fehlverhalten und Rechtsverstöße verhindern. Das versicherte Vorstand Manfred Balz am Mittwoch bei der Vorlage des internen Abschlussberichts über illegale und fragwürdige Ermittlungsmethoden der Konzernsicherheit in den vergangenen Jahren.

Der Informationshunger der Deutschen Telekom in den vergangenen Jahren verstieß nicht nur möglicherweise gegen das Gesetz. Er trug nach Einschätzung von Telekom-Datenschutzvorstand Manfred Balz mitunter auch bizarre, vielleicht sogar beängstigende Züge. Einen seiner Manager etwa ließ der Konzern so offensichtlich verfolgen, dass dieser das mitbekam. Doch damit nicht genug: Im Auftrag des Unternehmens wurden der Manager und seine Frau auch durch Anrufe belästigt.

Solche Vorgänge gab es bei der Telekom gehäuft, wie jetzt eine Datenschutzuntersuchung des Konzerns in Ergänzung zur Spitzelaffäre ergab. Das Ausmaß des im Frühjahr 2008 bekanntgewordenen Skandals erreichten die Vorfälle jedoch bei Weitem nicht. Für die Telekom ist die Aufarbeitung dennoch wichtig: Sie ist der Versuch eines Befreiungsschlags.

Die von der Telekom veröffentlichten neuen Fälle lesen sich wie Detektivgeschichten. Ein Mitarbeiter stand unter Korruptionsverdacht. Er soll von einem Fremdunternehmen im Gegenzug für den Abschluss eines mehrjährigen Vertrages ein Auto bekommen zu haben. Um diesen zu erhärten, wurde die Konzernsicherheit eingeschaltet. Am Wohnort des Mitarbeiters schoss diese Fotos von seinen Autos, aber auch von dem Haus und sogar dem Garten des Verdächtigten.

Ein weiterer Fall: Von einem Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bei einer ausländischen Konzern-Tochter ließ die Telekom ein komplettes Persönlichkeitsprofil erstellen. Neben dem Lebenslauf enthielten die gesammelten Daten auch Angaben zum Immobilienbesitz, Kontobewegungen und sogar Informationen zum Job der Tochter des Aufsichtsrates.

84 solcher Vorfälle hat die Telekom jetzt aufgearbeitet. Sie sind zwar nicht Teil der Bespitzelungsaffäre im Konzern. Wohl sind sie aber in deren Zusammenhang zu sehen: Im Frühjahr 2008 beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft bei der Telekom im Zuge der Ermittlungen eine Vielzahl von Unterlagen. Eine Reihe davon stellten die Ermittler dem Konzern im vergangenen Jahr aber wieder zur Verfügung. Die Staatsanwälte sahen in den Dokumenten keine Hinweise auf Straftaten, teils waren die Vorgänge schon verjährt.

Die Telekom machte es sich dennoch zur Aufgabe, das Material zu untersuchen und gab dafür 1,3 Millionen Euro aus. Denn der Konzern will mit der Unternehmenskultur und dem Sicherheitsdenken der Vergangenheit brechen. Bei der Telekom habe ein "manchmal hysterisches Sicherheitsverständnis" vorgeherrscht, sagt Datenschutzvorstand Balz. Dies habe dazu geführt, dass der Konzern auch zu Schritten geneigt habe, die "weit in die Privatsphäre hineinreichten, die als Persönlichkeitsrechts-Verletzungen angesehen werden könnten".

Überlappungen mit der Spitzelaffäre habe es aber nur in Einzelfällen gegeben, stellt Balz klar. Die jetzt veröffentlichten Vorgänge stünden für sich, sie seien Ausdruck überzogener Sicherheitsbemühungen des Konzerns in der Vergangenheit. Bei der weitaus größeren Spitzelaffäre hatte die Telekom die Telefonverbindungen von Aufsichtsräten und Journalisten systematisch auswerten lassen, um Informationslecks im Konzern aufzudecken.

Gegen die Systematik und das Ausmaß des Spitzelskandals aber zeigten die nun veröffentlichen Fälle oft eher "sonderbare Hintergrundmotive", findet Datenschutzvorstand Balz. Oft seien weder die Auftraggeber im Konzern nachvollziehbar noch sei der Zweck für das Unternehmen ersichtlich. Warum etwa habe die Sicherheitsabteilung erforschen müssen, ob ein Journalist mit einer anderen Journalistin verheiratet ist? Teils sei bei ihm auch der "Eindruck einer gewissen Banalität" entstanden, urteilt Balz.

Einfach so hinnehmen will der Datenschutzvorstand die Vorfälle dennoch nicht. Mit der Aufklärung der Vorgänge übt er den Befreiungsschlag für die Telekom. "Wir haben das Material ausgewertet, um deutlich mit der damaligen Unkultur des Misstrauens zu brechen", sagt Balz. Dafür sichtet der Konzern auch schon mal 100.000 Seiten Material.

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Martin Achter, AFP/DPA