Wenn die Staumeldungen im Radio länger dauern als Nachrichten und Wetter, dann ist sie da: Die Reisewelle zur Sommerzeit. Blechschlangen aus Millionen von Autos wälzen sich über Europas Autobahnen und verbrauchen tonnenweise Benzin und Diesel. Mit dem Ferienbeginn in Hessen und im Saarland ist es an diesem Wochenende wieder so weit. Ein populäres Vorurteil besagt: In den warmen Monaten ist auch der Sprit besonders teuer, weil die Nachfrage hoch ist und die Ölkonzerne die Reisezeit für Preiserhöhungen nutzen. Belegen lässt sich das jedoch nicht.
Benzinverbrauch steigt nicht
Tatsächlich ist der Benzinverbrauch in den Sommermonaten in Deutschland nur wenig höher als im Durchschnitt des Jahres. So verkauften die Tankstellen im vergangenen Jahr durchschnittlich 2,4 Millionen Tonnen Benzin im Monat, im Juli und August waren Sind Sie mit der Öko-Steuer und ihren Folgen einverstanden? Erzählen Sie es im Wirtschaftsforum... es dagegen knapp 2,5 Millionen Tonnen. »Die Autobahnen sind zwar voll, aber in der Urlaubszeit fahren viele Berufspendler nicht zur Arbeit, die für den Absatz der Tankstellen eine wichtige Rolle spielen«, erklärt dies Roland Lorenz vom Mineralölwirtschaftsverband (MWV) in Hamburg.
Schlichte Umverteilung
Anders gesagt: Die Autos auf der Autobahn fehlen in den Städten und Ballungsräumen. Und oft fahren sie für zwei oder drei Wochen über die Landesgrenze und tanken in Spanien oder Schweden - dann steigt der Absatz in den Ferienländern, aber nicht in Deutschland. »Wir haben auch oft erlebt, dass die Benzinpreise im Sommer besonders niedrig waren«, sagt Karl-Heinz Schult-Bornemann von der ExxonMobil in Hamburg. Grund: Im März stellen die Raffinerien in Europa den Schwerpunkt ihrer Produktion von Heizöl auf Benzin um, weil sie der veränderten Nachfrage gerecht werden wollen. So steht im Sommer oft ein großes Benzin-Angebot am Markt, das die Autofahrer abnehmen müssen.
Schlechtes Wetter drückt Verbrauch
Und dann wandert der Blick der Öl-Bosse sorgenvoll zum Himmel: Bei schlechtem Wetter wird im Sommer deutlich weniger Auto gefahren als bei Sonnenschein. Im vergangenen Jahr mit einem völlig verregneten Sommer lag der Benzinverbrauch im Juli und August jeweils um mehr als 100.000 Tonnen unter dem gleichen Monat des Vorjahres. Das kann auf die Preise durchschlagen - nach unten.
Wichtig sind Dollar-Kurs und Rohölpreis
Die wichtigsten Größen für den Benzinpreis sind aber nicht die Ferientermine der einzelnen Bundesländer, sondern Rohölpreis und Dollarkurs. Und da sieht es für den Autofahrer zumindest etwas besser aus als noch Anfang Mai, als der Preis für einen Liter Normalbenzin auf 2,18 Mark geklettert war. Inzwischen ist er im bundesweiten Durchschnitt auf 2,04 Mark gefallen, weil die starke Benzinnachfrage aus den USA auf den europäischen Großmarkt in Rotterdam nachgelassen hat.
Im vergangenen Jahr mussten die Autofahrer im Juni 2,02 Mark für einen Liter Normalbenzin bezahlen, also 2 Pfennig weniger als heute. Zwischenzeitlich ist allerdings die Öko- und Mehrwertsteuer je Liter um 7 Pfennig gestiegen, so dass ohne die zusätzlichen Belastungen durch den Fiskus der Sprit sogar 5 Pfennig billiger wäre als vor einem Jahr.
Eckart Gienke