Die Deutsche Bahn wird nicht am 27. Oktober an die Börse gehen. Das Bundesfinanzministerium und die Bahn bestätigten am Donnerstag entsprechende Informationen aus Kreisen im Umfeld des Unternehmens. "Wir werden das Vermögen des Bundes nicht zur Unzeit an den Kapitalmarkt bringen", erklärte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Der Börsengang an sich stehe aber nicht in Frage, erklärte er ohne einen neuen Termin zu nennen. Die Vorbereitungen gingen aber weiter, um zu starten, wenn das Marktumfeld sich bessere.
Bahnchef Hartmut Mehdorn sprach trotz aller Schwierigkeiten von einer positiven Reaktion der Investoren auf das Vorhaben. Man werde aber angesichts der Verunsicherung an den Kapitalmärkten den Zeitplan anpassen.
Der Bund wollte am 27.Oktober 24,9 Prozent der Bahn-Transport- und Dienstleistungstöchter verkaufen und damit die Privatisierung des letzten großen deutschen Staatskonzerns umsetzen. Ursprünglich sollte am kommenden Montag die Zeichnungsfrist für Privatanleger beginnen. Das ist jetzt abgesagt.
Der Börsengang war Schlüsselelement der Teilprivatisierung der Deutschen Bahn. Nach jahrelangem Hin und Her über Art und Umfang der Privatisierung des letzten deutschen Staatskonzerns sollten von der Personen- und Güterverkehrssparte des Konzerns, die nun "DB Mobility Logistics AG" heißt, 24,9 Prozent an die Börse gebracht werden. Der Rest sollte in Bundeshand bleiben, ebenso wie das Schienennetz, das aktienrechtlich abgetrennt wurde und nach wie vor zu 100 Prozent dem Bund gehören soll.
Absturz der Börsen ließ Erlösschätzungen schmelzen
Die Schätzungen über den Erlös reichten von drei bis acht Milliarden Euro; als realistisch wurden zuletzt - vor dem Absturz der Börsen - 4,5 Milliarden genannt. Offenbar ist es nicht gelungen, in Vorgesprächen einen Preis zu erzielen, der angesichts der in Deutschland seit Tagen weit unterbewerteten Aktien diesen Erlös auch nur annähernd sicherstellt.
Finanzminister Peer Steinbrück und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee hatten zuvor erklärt, die Bahn nicht unter Wert an die Börse bringen zu wollen.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Horst Friedrich begrüßte die Verschiebung mit den Worten: "Regierung und Opposition sind sich in einem Punkt einig: Es muss bei den Verkaufserlösen von fünf bis acht Milliarden Euro bleiben, die der politischen Entscheidung zugrunde gelegt wurden." Ein "besseres Marktumfeld" sei für die Teilprivatisierung nötig.
Grüne fordern "Neuanfang der Bahnpolitik"
Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn sprach von einer "Notbremsung" und forderte einen "Neuanfang in der Bahnpolitik mit frischen Ideen und neuen Leuten". Das globalisierungskritische Netzwerk Attac feierte die Verschiebung als Erfolg. "Heute lassen wir die Sektkorken knallen", sagte sein Bahnexperte Carl Waßmuth. Attac forderte die Bundesregierung auf, die Privatisierungspläne für die Bahn nun "ein für allemal zu beerdigen". Auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) begrüßte die "späte Einsicht" angesichts der Situation an den Kapitalmärkten.