Gastronomie Frankreichs Winzer fürchten Krieg mehr als Boykott

Durch die starke Exportausrichtung - gerade auch nach Nordamerika - könnte ein Krieg gegen den Irak und eine kränkelnde Weltwirtschaft erhebliche Löcher in die Winzerkassen reißen.

Nichts fürchtet ein Winzer mehr als ein nächtliches Unwetter, das ihm die Ernte verhagelt. In diesen Wochen allerdings blicken die französischen Weinbauern eher sorgenvoll auf die politische Großwetterlage und weniger auf das Mikroklima ihres sowieso noch schlummernden Weinbergs. Ziemlich stark auf den Export gerade auch nach Nordamerika ausgerichtet, könnte ein Krieg gegen den Irak und eine dann noch stärker kränkelnde Weltwirtschaft erhebliche Löcher in ihre Kassen reißen. Das wiegt schwerer als der von manchen in den USA verlangte Boykott von Bordeaux-Weinen und des Champagners.

Krieg wird Exporten schaden

«Der mögliche Krieg beunruhigt uns», sagt Jean-Louis Trocard, Chef des interprofessionellen Weinbau-Verbandes der Bordeaux-Region (CIVB) - hat doch die Ausfuhr hochwertiger Weine in die USA 2002 vom Umsatz her den ersten Markt Deutschland (182,8 Millionen Euro) praktisch eingeholt. Sehr wohl ist Trocard bei der Frage nach Auswirkungen eines Angriffs auf den Irak nicht, am liebsten schiebt er den Krieg noch in das Reich der bloßen Annahme. Winzer aus der Rotwein-Hochburg Saint-Emilion sind offener: «Ein Krieg wird uns schaden.» Selten verfolgten sie die Abendnachrichten so aufmerksam.

Weniger Angst vor Boykott

Auch die Champagner-Hersteller Philippe und Elisabeth Chartogne in Merfy sehen dunkle Wolken aufziehen: «Der Export macht drei Viertel unserer Verkäufe aus, und mit mehr als 18 Millionen Flaschen hat der Champagner in den Staaten doch eine Qualitäts-Nische besetzt.» Ein Irak-Krieg bringe die Stimmung in den Keller statt Champagner auf den Tisch, meint die Winzerin. Dazu könnte eine wirtschaftliche Flaute im Sog der Militäraktion kommen. Einen wirklichen Boykott befürchten die Champagner-Winzer nicht. Amerikanische Champagner-Freunde kämen eher aus einer sozialen Schicht, die nicht zu «nationaler Hysterie» neige.

Käuferschicht neigt nicht zu "nationaler Hysterie"

Das sieht man auch in der südwestlichen Bordeaux-Region so. «Bis heute haben wir keinerlei Auswirkungen dieser Boykott-Aufrufe wegen der französischen Anti-Kriegs-Haltung gespürt, das ist mehr ein auf die Medien schielendes Gestikulieren», erläutert der CIVB-Präsident. Bislang scheint also alles mehr psychologisch zu sein. Was etlichen französischen Winzern wirklich Sorgen macht, von dem nicht so rosigen einheimischen Markt einmal abgesehen, das sind langfristige Risiken: «Wenn es also bei den nordamerikanischen Verbrauchern kriselt und ein immer stärkerer Euro unseren Wein dort teurer macht», meint Trocard.

Deutscher Markt rückt wieder näher

Kein Wunder also, dass die Bordeaux-Winzer ihr Augenmerk jetzt ganz auf ihren deutschen «Schlüsselmarkt» richten, der im Jahr 2002 vom Volumen her leicht nachgab, beim Umsatz jedoch um sieben Prozent zulegte. Mit dem Werbeslogan «Erleben Sie eine Welt der Finesse» und einer Kampagne mit TV-Spots sollen die deutschen Gourmets und junge, trendbewusste Weintrinker an den hochwertigen Bordeaux-Roten gebunden werden. Teils in englischer Sprache wird dann in deutschen Landen für französischen Image-Wein geworben. Bereits jetzt schwächele dort die Konkurrenz aus der «Neuen Welt», so freuen sich die Bordeaux-Winzer.