Milka, Toblerone, Daim und Marabou – diese bekannten Schokoladen-Marken werden in Skandinavien derzeit boykottiert. Teilweise zumindest. Der Grund: Sie gehören zum US-Lebensmittelkonzern Mondelez. Dieser ist trotz des Krieges gegen die Ukraine weiterhin im Land des Aggressors präsent: in Russland.
Eine Reihe westlicher Unternehmen hatten sich nach Kriegsbeginn aus Russland zurückgezogen oder die dortigen Aktivitäten stark eingeschränkt. Mondelez wurde vor einigen Wochen von ukrainischen Behörden auf eine Liste "internationaler Kriegssponsoren" gesetzt, weil der US-Konzern weiterhin in Russland präsent ist, dort Steuern zahlt und so den Krieg mitfinanziert. Auch die Firmen Yves Rocher und Bonduelle stehen auf der Liste.
Ikea und Militär verbannen Mondelez-Produkte
Gleich mehrere große Unternehmen aus Norwegen und Schweden sowie staatliche Akteure haben deshalb beliebte Marken wie Daim, Marabou und die norwegische Marke Freia verbannt: Die Fluglinien Scandinavian Airlines, Norwegian und Widerøe, der norwegische Fußballverband, das schwedische Militär, die schwedische Bahn und zuletzt der Möbelriese Ikea.
Letzterer erklärte allerdings, dass er schon länger die Absicht habe, so viele eigene Produkte wie möglich zu verkaufen.
Das Militär bat seine Lieferanten um Produkte anderer Hersteller. Damit bewege sich die Armee "auf einer Linie" mit ihrer sonstigen Haltung zur Ukraine, sagte eine Sprecherin mit Blick auf das von Russland angegriffene Land.
Das sind die größten Verlierer der westlichen Sanktionen

Der ehemalige Besitzer der FC Chelsea ist der Prototyp eines russischen Oligarchen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nutzte er seine Kontakte in die Politik und konnte ein verzweigtes Firmenimperium aufbauen, indem er ehemals staatliche Unternehmen aufkaufte. Reich wurde Abramowitsch vor allem mit dem Ölkonzern Sibneft, an dem er zeitweise 80 Prozent der Aktien hielt. Hinzu kamen Beteiligungen am Aluminiumkonzern Rusal und der Fluggesellschaft Aeroflot. Von 2000 bis Juli 2008 war er Gouverneur der russischen Region Tschukotka. Einen Großteil seiner Unternehmensanteile verkaufte er Anfang der 2000er Jahre – unter anderem an den halbstaatlichen Konzern Gazprom.
Politik mischt sich in Diskussion um Mondelez ein
Der Lebensmittelboykott hat inzwischen auch die Politik erreicht. Der außenpolitische Sprecher der schwedischen Liberalen forderte, Marabou dürfe sich nicht mehr königlicher Hoflieferant nennen. Er habe einen Brief an den König geschrieben, in dem er ihn auffordere, Marabou wegen der Geschäfte des Eigentümers Mondelez in Russland abzusetzen, berichtete die Nachrichtenagentur TT.
Der schwedische Hof sagte TT, man habe seit zwei Jahren keine Schokolade mehr von Marabou gekauft und überprüfe Marabou als Hoflieferanten.
Schwedens Finanzministerin Elisabeth Svantesson sagte zuletzt, sie persönlich zögere, Produkte von Marabou zu kaufen. "Man sollte wissen, was man unterstützt, wenn man eine bestimmte Art von Produkt unterstützt", zitiert sie TT. "Aber jeder – Organisationen, Unternehmen und Betriebe – ist absolut frei zu entscheiden, was er tut und was nicht. Das ist mein grundsätzlicher Ansatz."

Mondelez rechtfertig Russland-Geschäfte
Die norwegische Regierung hielt am Mittwoch ein Treffen mit verschiedenen Akteuren und Einzelhandelsketten ab, die ihrerseits um Leitlinien baten. Das norwegische Ministerium für Handel und Industrie erklärte dazu, dass es den Unternehmen und Verbrauchern überlassen bleibe, wie sie mit Mondelez-Produkten umgehen.
Mondelez International reagierte mit einer Pressemitteilung auf den Boykott und die Aktivitäten in Russland. Seit Beginn des Krieges habe man "diese brutale Aggression gegen die Ukraine verurteilt" und das Land finanziell unterstützt.
Doch wie "die meisten anderen globalen Lebensmittel- und Getränkehersteller" liefere Mondelez weiterhin Lebensmittel, "wobei wir uns in Russland auf erschwingliche, haltbare Produkte konzentrieren, die für die Menschen ein tägliches Grundnahrungsmittel darstellen". Dies sei jedoch keine einfache Entscheidung, heißt es in der Erklärung.
Mondelez sieht sich "unfair" behandelt und als "Sündenbock"
"Wenn wir unsere Operationen in vollem Umfang aussetzen würden, liefen wir Gefahr, unsere Operationen in vollem Umfang einer anderen Partei zu überlassen, die den gesamten Erlös für ihre eigenen Interessen verwenden könnte." Laut Mondelez bedeute dies auch, dass ein Teil der Lebensmittelversorgung für viele Menschen abgeschnitten würde.
Das Unternehmen habe seine Aktivitäten zurückgefahren und neue Investitionen, die Einführung neuer Produkte und Ausgaben für Werbung in Russland gestoppt. Die Folge sei, dass deutlich weniger Produkte verkauft werden. "Wir planen, das Russlandgeschäft noch vor Jahresende mit einer eigenständigen Lieferkette zu versehen" und autark zu machen.
Dennoch sieht Vinzenz Gruber, Europa-Chef von Mondelez, den Konzern unfair behandelt. Der Konzern werde "herausgegriffen und anders behandelt" als konkurrierende Unternehmen, die ebenfalls weiterhin Lebensmittel und Getränke in Russland verkaufen, wie die Nachrichtenagentur Reuters zitiert. Er bezeichnete den Druck in Skandinavien als "herausfordernd" und sagte, er sei "zutiefst betrübt über das, was mit den dortigen Marken geschieht".
Auch der Chef von Mondelez in Norwegen, Chris Callanan, sagte der norwegischen Zeitung "VG", die Marke Freia sei zum "Sündenbock" gemacht worden.
Erste Unternehmen machen Kehrtwende
In der Ukraine hingegen ist man mit dem skandinavischen Boykott zufrieden. In einem Gastbeitrag für die schwedische Zeitung "Aftonbladet" bedankte sich die ukrainische Antikorruptionsbehörde bei allen, die Mondelez boykottieren.
Experten bezweifeln jedoch die Wirksamkeit des Boykotts. Der Markenexperte Niklas Turner Olovzon sagte der schwedischen Zeitung "Dagens Nyheter", dass ein gesamteuropäischer Boykott nötig sei, um wahrgenommen zu werden. Andere Experten sind der Meinung, dass sich Unternehmen und Verbraucher mit einem Boykott nur "etwas vormachen".
Inzwischen haben erste Unternehmen ihren Boykott von Mondelez und dessen Produkten beendet. Dazu gehören die norwegischen Fluggesellschaften Widerøe und Norwegian. Eine Sprecherin von Widerøe erklärte die Kehrtwende dem Portal "E24" mit Verweis auf die Regierungsgespräche so: "Die Entscheidung, Freia-Produkte wieder an Bord zu nehmen, ist das Ergebnis des Dialogs während des gestrigen Treffens."
Widerøe halte sich an die Sanktionsliste der norwegischen Behörden – und Mondelez und Freia stünden nicht auf dieser Liste. Daher werde man den Passagieren wieder "ein kleines Stück Norwegen" anbieten, wenn sie mit der Airline fliegen.
Quellen: Nachrichtenagenturen AFP, Reuters und TT, Pressemitteilung Mondelez, "Dagens Nyheter", "Aftonbladet", Sveriges Radio, "E24", "VG", SVT