Ukraine-Krieg Gibt es überhaupt noch Produkte, die von den EU-Sanktionen nicht betroffen sind?

Uran
Uran-Brennstäbe im mittlerweile stillgelegten Akw Grundremmingen. Die Einfuhr des begehrten Brennstoffs aus Russland in die EU wird wohl so schnell nicht enden. 
© Stefan Puchner / DPA
Die USA verhängen neue Strafen gegen Russland, die EU will bereits das elfte Sanktionspaket verabschieden – welche Waren und Produkte fehlen noch auf der langen, schwarzen Liste? Viele sind es nicht, aber wichtige: Uran zum Beispiel.

Zum elften Mal wollen die Europäer ein Sanktionspaket gegen Russland schnüren. Bislang konnten die Strafmaßnahmen den Krieg in der Ukraine zwar nicht beenden, aber dass sie Moskau durchaus nerven, blitzt immer wieder in den Nebenkriegsschauplätzen auf. Etwa vor genau einem Jahr, am 19. Mai 2022. Damals liefen die Verhandlungen über ein Getreideabkommen. Kremlabgesandte forderten, ukrainische Häfen für die Ausfuhr der Nahrungsmittel zu öffnen, wenn die westlichen Sanktionen teilweise aufgehoben werden würden. Der Deal kam zustande.

Russland verdient weiter an Düngemittel

Die Ukraine exportiert seitdem wieder Weizen, Soja und Sonnenblumen – überlebenswichtig für sie und die Welt. Russland darf unter anderem Düngemittel ausführen. Die Hürden dafür wurden bei der Verlängerung des Getreideabkommen an Christi Himmelfahrt noch etwas gesenkt, weil die Moskauer Regierung ansonsten Njet gesagt hätte. Und, weil fehlender Dünger Getreideanbau behindert und damit Lebensmittel noch teurer macht. Dünger gehört zu den Bereichen, die weiter nicht von den westlichen Importen betroffen sind.

Obwohl die EU und die USA gegen Russland den bisher größten Strafenkatalog verhängt haben, gibt es immer noch frei handelbare Waren und Produkte. Rund 170 Milliarden Euro sind laut Eurostat vergangenes Jahr an russische Firmen geflossen. Davon haben europäische Firmen alleine für Düngemittel 2,6 Milliarden Euro überwiesen. Auch nicht betroffen sind Lebens- und Arzneimittel, damit die Bevölkerung so gut wie möglich von den Maßnahmen verschont bleibt.

Exportschlager Uran und Diamanten

Ebenfalls nicht auf der Sanktionsliste: Uran. Für Deutschland, wo die letzten Atomkraftwerke jüngst vom Netz gegangen sind, ist der Brennstoff zwar nicht mehr wichtig, anders aber für andere EU-Staaten. Ungarn etwa plant weiterhin den Bau eines Meilers mit Hilfe Russlands. Zudem laufen europaweit noch 15 Akw aus Sowjetzeiten, die ihre Brennstäbe nur aus Russland beziehen können. Ob das Metall beim anstehenden elften Sanktionspaket mit auf die Liste kommt, ist also eher unwahrscheinlich.

Auch Diamanten stehen bislang nicht auf der schwarzen Liste. Das allerdings könnte sich bald ändern. Denn die G7-Staaten haben bei ihrem Gipfel im japanischen Hiroshima beschlossen, den Handel mit den Edelsteinen ebenfalls einzuschränken. Allein die EU-Staaten haben Eurostat zufolge vergangenes Jahr russische Diamanten im Wert von anderthalb Milliarden Euro gekauft. Insgesamt verdient Russland als weltweit größter Rohdiamant-Produzent mindestens vier Milliarden Euro an den Steinen.

Warum Sanktionen nicht so schnell greifen

Vermutlich werden auch die neuen Strafmaßnahmen "Russlands Kriegsmaschine" (G7-Erklärung) nicht stoppen können. So wenig wie es die bisherigen Sanktionen vermochten. So hieß es schon vor Monaten in einem Bericht des Europäischen Parlaments: Die Auswirkungen werden "nicht schwerwiegend genug sein, um Russlands Fähigkeit, im Jahr 2023 Krieg gegen die Ukraine zu führen, einzuschränken". Dass das Mittel nicht die erwünschten Folgen hat, liegt gleich an einer ganzen Reihe von Gründen.

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  • Zum einen die Erwartungshaltung: Wie alle Eingriffe in die Wirtschaft brauchen auch Sanktionen Zeit, ihre volle Wirkung zu entfalten. So geht die russische Konjunktur und der Handel zwar zurück, aber längst nicht so schnell wie gedacht. Die Hoffnung, dass die Wirtschaft innerhalb weniger Monaten kollabieren würde, war völlig überzogen. Das liegt auch daran, dass unter anderem die russische Notenbankchefin das Land hervorragend auf eine (absehbare) Isolation vorbereitet hatte.
  • Improvisation: Auf der Liste von Gütern, die nicht nach Russland verkauft werden dürfen, stehen auch Computerchips – die etwa für Raketen und Waffensysteme verwendet werden können. Allerdings tun es in dem Fall auch die Steuerungselemente von Kühlschränken oder Waschmaschinen. Deshalb nimmt der Export solcher Haushaltsgeräte seit Kriegsbeginn in Länder wie die Türkei und Kasachstan extrem zu. Dort werden die Chips ausgebaut und nach Russland verschifft, wo sie dann in Waffen eingebaut werden. Das zu verhindern dürfte nicht gelingen. Denn die Ausfuhr einfacher Küchengeräte in unbeteiligte Länder dürfte kaum vermittelbar sein.
  • Umgehung von Sanktionen: Viele Staaten halten sich nicht an die Sanktionen. Indien wird verdächtigt, Russland weiterhin Rohöl abzukaufen, zu raffinieren und es dann weiter zu verschiffen. Auf diese Weise landen nicht nur russische Rohstoffe in Europa, sondern indirekt auch Euros. Die vermeintliche Lösung, Indien einfach ebenfalls mit Sanktionen zu belegen, könnte allerdings dazu führen, die dortige Regierung zu verärgern und das Land auf diese Weise erst recht in die Arme Russlands zu treiben.

Dass EU und USA dennoch ihr Sanktionsregime fortsetzen, ist nach den Worten von Julia Grauvogel vom "German Institute for Global and Area Studies" sinnvoll. Sie sieht die Wirkung vor allem darin, dass diese den Druck auf den Kreml erhöhen, indem sie Russlands Fähigkeit einschränken, den Krieg zu bezahlen und auf dem technisch neuesten Stand zu führen. Sanktionen könnten vielmehr als Verhandlungsmasse in Gesprächen dienen", so Grauvogel in einem Bericht des Ifo-Wirtschaftinstituts.

Ähnlich die Erklärung des G7-Gipfels: "Wir bleiben geeint bei der Verhängung koordinierter Sanktionen und anderer wirtschaftlicher Maßnahmen, um Russlands Fähigkeit weiter zu untergraben, seine illegale Aggression zu führen."

Quellen: DPA, AFP, Ifo, Europäischer Rat, Tagesschau, UN, Zoll.de