Google kauft Youtube Das Web 2.0 hat neue Helden

Chad Hurley und Steve Chen sind die neuen Helden der Generation Web 2.0. Binnen 19 Monaten haben sie aus dem Nichts einen Milliarden-Konzern geschaffen, die erste globale TV-Station - und ihn vertickt. Das Geschäft kann die Medien- und Werbewelt revolutionieren.

1,65 Milliarden Dollar! 1,3 Milliarden Euro! In Aktien, aber egal: Chad Hurley und Steve Chen haben ausgesorgt. Mit 29! Und mit 27! Das ist ein Grund zu feiern! Und das tun sie auch. Per Video. Auf "Youtube", wo sonst? Nach dem Milliardendeal mit "Google" haben sie einen kleinen Film auf die Seite gestellt. Sie stehen vor einem Haus. Sie lachen. Sie sind bestens gelaunt. Sie danken der "Community". Und sie versprechen - klar! - weiter daran zu arbeiten, den Service zu verbessern. "Das ist großartig", sagt Hurley, der mit blonder, glatter Mähne, weißem Hemd und dunklem Anzug schon jetzt aussieht wie ein junger, wohlhabender, lebenslustiger Beau. Während er spricht, grinst er, gerade so, als könnte er jederzeit vor Glück prusten. "Zwei Könige haben sich zusammen getan", sagt er - er meint die beiden Firmen. Auch Chen grinst über das ganze Gesicht. Die beiden sehen aus, als würden sie nach der Aufnahme mit allen Mitarbeitern und 1000 Jungfrauen in Schampus baden.

Ein Gründermythos für das Web 2.0

Es ist ein Paukenschlag. Der Verkauf von "Youtube" an Google schafft einen Gründer-Mythos für die Generation Web 2.0, jene Gruppe, die es noch einmal probiert, online Geld zu verdienen. Die Erfolgslegende erinnert an beste New-Economy-Zeiten: Hurley und Chen lernten sich einst beim Internet-Zahldienst Paypal kennen. Dann hatten sie die geniale Geschäftsidee: Nach einer Party stellten sie vor zwei Jahren fest, dass es verdammt schwer war, selbst gedrehte Videos online zu tauschen. Im Februar 2005 gründeten sie im kalifornischen San Bruno "Youtube" - und trafen einen Nerv. Heute ist die Firma mit knapp 70 Mitarbeitern Marktführer in Sachen Internet-Videos. Allein zwischen August 2005 und August 2006 schoss die Zahl der "Youtube"-Besucher ("Visitors") nach Angaben von "Comscore" um sage und schreibe 2500 Prozent in die Höhe, von 2,8 Millionen Besuchern auf rund 72 Millionen Nutzer.

Die erste wahrhaft globale Fernsehstation

"Youtube" ist die erste wahrhaft, globale Fernsehstation. Schnelle Leitungen, günstige Verbindungen, billige Videokameras, einfache Software - zumindest in der industrialisierten Welt kann fast jeder sofort zum Filmemacher werden. Auf "Youtube" sucht und findet er sein Publikum, einerlei, ob es um das Heimvideo geht, den Augenzeugenbericht aus dem zerbombten Libanon, eine politische Kampagne, Clips aus Late-Night-Shows, oder die Geschichte des eigenen Großvaters: Stell's bei "Youtube" rein. Bisher hat das Internet nur Print-Medien gezwungen, alte Sicherheiten über Bord zu werfen und sich im Internet zu präsentieren, im Sog unzähliger Dienste und Blogger. Jetzt geht es für das Fernsehen ums Ganze. Und "Youtube" ist die zentrale Plattform, die stärkste, die bislang glaubwürdigste Marke für alles, was mit Internet-Video zu tun hat - und damit auch für alle attraktiv, die per Video werben wollen. Für das neue Auto. Für den neuen Film. Für die neue Show. Egal.

Kampf um die Online-Werbeeinnahmen

"Youtubes" Dominanz im Video-Bereich hatte die Firma in den vergangenen Monaten für alle Medien/Internetkonzerne verführerisch gemacht, die sich um den Online-Werbekuchen balgen. Für "Google," für "Microsoft", für "Yahoo", für "Time Warner." Der Online-Werbemarkt wächst rasant. Allein für die USA, so schätzte ein Investmentbanker im Interview mit "Businessweek", könnte das Online-Werbevolumen von geschätzten 15 Milliarden Dollar in diesem Jahr auf 25 Milliarden Dollar im Jahr 2010 hochschießen. Da gibt es etwas zu holen, und Videos sind ein zentrales Vehikel. Einen Vorgeschmack lieferte ein zweiminütiger Werbe-Spot des Kreditkartenanbieters "American Express", der auf "Youtube" geklickt wurde wie wahnsinnig.

"Niemand könnte besser zu uns passen"

Durch sein beherztes Zugreifen rüstet der Suchmaschinen-Konzern "Google" nun erheblich auf - vor allem im Rennen mit dem Hauptkonkurrenten "Microsoft." Künftig kann das Unternehmen zielgenau und umfassend die Bedürfnisse von Werbekunden bedienen. Sie sind Autohersteller? Sie wollen Ihr neues Modell effektiv bewerben? Wie wär's wenn "Google" jedes Mal ein sexy Video auf "Youtube" anböte, wenn der Nutzer den Begriff "Auto" in die Suchmaschne tippt - oder gar Ihren Firmennamen? Wer könnte da widerstehen? "Filme sind ein großartiges Medium für Werbung, und aus dieser Sicht freuen wir uns wirklich über 'Youtube", jubilierte "Google"-Mitbegründer Sergey Brin am Montag. "Ich kann mir keine Firma vorstellen, die besser zu uns passen würde."

Analysten warnen vor Risiken

Kenner, Analysten, loben den Deal mehrheitlich als kluge Entscheidung - auch wenn sie ihn als untypisch bezeichnen für "Googles" bisherige Übernahmestrategie. Bisher habe "Google" eher Erweiterungen für sein bisheriges Produkt aufgekauft als andere Firmen, sagten Analysten, die vom "Wall Street Journal" befragt wurden. Das Volumen von 1,65 Milliarden Dollar übersteige den Betrag, den "Google" bisher für seine gesamten anderen Übernahmen ausgegeben habe. Gleichzeitig könne "Google", das nach "Comscore"-Angaben im August 2006 468 Millionen Nutzer ("Visitors") verzeichnete, seine Reichweite steigern und seine Schwäche im Videobereich wettmachen. Die Hausmarke "Google Videos" liegt hinter "Youtube" und "MySpace" nur auf Platz drei. Allerdings gibt es auch Stimmen, die warnen, der hohe Preis berge Risiken. "Ja, ein möglicher Youtube-Kauf ist eine Wette," schreibt UBS-Analyst Benjamin Schachter auf Anfrage des "Wall Street Journal", "aber es ist genau die Art von Wette, die wir von Google erwarten." Google sei eine Firma, die bei Aufkäufen bisher strategisch vernünftige Entscheidungen getroffen habe und auf die lange Sicht investiere.

Urheberrechtliche Arrangements sollen Klagen verhindern

Bedenken gegen eine Übernahme von "Youtube" hatten beide Firmen versucht, vor der Bekanntgabe des Deals auszuräumen. So hatten Analysten gewarnt, "Google" könnte eine Flut von Urheberrechts-Prozessen drohen, weil auch "Youtube" bisher Probleme mit geschützten Inhalten hatte, die auf der Seite erschienen. Die Firma hält es bisher so, dass sie die Videos von der Seite entfernt, sobald ihre Mitarbeiter darauf aufmerksam gemacht werden. Nur Stunden vor der Bekanntgabe des Verkaufs gaben die "Youtube"-Chefs nun bekannt, dass sie sich mit den großen Medienhäusern CBS, Universal Music Group und Sony BMG auf ein Arrangement geeinigt haben. "Youtube" soll bestimmte geschützte Inhalte vertreiben können, wenn die Konzerne dafür im Gegenzug einen Teil der Werbeeinnahmen erhalten. Ähnliche Deals gibt es schon mit General Electric, NBC und der Warner Music Group.

Börse goutiert Geschäft

Die Börse goutierte am Montag den Schachzug "Googles." Schon vor der offiziellen Bekanntgabe des Geschäfts stieg der Kurs, getrieben von Spekulationen, auf den höchsten Stand seit Ende April - in den letzten beiden Handelstagen gewann "Google" knapp vier Milliarden Dollar an Marktwert.

Chad Hurley und Steve Chen wird's gefreut haben. Hurley ist verheiratet und hat zwei Kinder. Chen ist Single. Beide haben seit Montag völlig neue Lebensperspektiven. Sie sind unendlich reich. Und für die Generation Web 2.0 sind sie schon jetzt legendär.

Schampus!