Interview Löscher hält Siemens für zu deutsch

Von Richard Milne, London
Um sich herum sieht er nur "weiße deutsche Männer": Siemens-Chef Peter Löscher beklagt die mangelnde Internationalität seines Konzernmanagements. Seine Äußerungen werfen ein Schlaglicht auf die Unternehmenskultur in der Bundesrepublik.

"In der Führungsetage sitzen nur weiße Männer", sagte der Österreicher, der seit einem Jahr an der Spitze des Münchner Unternehmens steht, der Financial Times. "Unsere 600 Spitzenmanager sind vorwiegend weiße deutsche Männer. Wir sind zu eindimensional."

Mit seinen Äußerungen wirft Löscher ein Schlaglicht auf die Unternehmenskultur in Deutschland. Als Exportland gehört die Republik zu den Globalisierungsgewinnern. Dennoch sind Aufsichtsräte und Vorstände der großen Konzerne nach wie vor fast ausschließlich mit deutschen Managern besetzt. Auch wird keines der insgesamt 30 Dax-Unternehmen von einer Frau geführt.

"Globale Vielfalt" soll ausgebaut werden

Für sein zweites Jahr als Siemens-Konzernchef habe er sich vorgenommen, die "globale Vielfalt" in der Unternehmensführung auszubauen, sagte Löscher. Wenn sich die deutsche Wirtschaft nicht in diese Richtung bewege, drohe die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu leiden.

"Das ist eine generelle Schwäche deutscher Unternehmen", sagte der Analyst James Stettler von Dresdner Kleinwort. "Schweizer und schwedische Firmen haben es besser geschafft, ein globaleres Management und eine globalere Unternehmenskultur aufzubauen." Auch der deutsche Managementberater Hermann Simon sagte: "Das ist eine der wesentlichen Prüfungen für deutsche Firmen." Die Kernfrage sei, wie Unternehmen internationale Manager einbinden können.

Siemens-Chef Peter Löscher ist ÖsterreicherIm Vergleich zu anderen deutschen Großkonzernen hat Siemens noch einen relativ hohen Anteil von Ausländern im Vorstand. Neben dem Österreicher Löscher sitzen zwei Amerikaner in dem achtköpfigen Führungsgremium. Von den 15 Spartenchefs sind allerdings elf Deutsche. Dabei erwirtschaftet der Konzern über 80 Prozent seines Umsatzes im Ausland.

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... im neuen stern. Darin porträtiert Ulrike Posche den Siemens-Chef Peter Löscher, der seit einem Jahr beim deutschen Weltkonzern den Takt vorgibt. Löscher will aufräumen, umbauen, modernisieren. Er will den Skandal um Schmiergeld und Korruption endlich mit guten Nachrichten übertönen.

Globaler Kampf um Talente

"Es geht hier nicht um Quoten, aber ich würde gerne einen gemischteren Vorstand sehen", sagte Löscher. "Ich hätte gerne, dass ein richtig guter Chinese das Chinageschäft führt und ein richtig guter Inder für Indien zuständig ist."

Diese Vielfalt sei zentral für Deutschlands Zukunft, sagte der Siemens-Chef: "Es ist absolut entscheidend. Es ist das Wichtigste. Bildet man seinen globalen Kundenstamm nicht ab, kann man sein volles Potenzial nicht ausnutzen. Bekommt man das hin, hat man einen gewaltigen Vorteil."

Siemens hat für das obere Management inzwischen ein Mentorenprogramm aufgelegt. Löscher selbst betreut unter anderem vier junge Führungskräfte aus Deutschland, zwei aus China und jeweils eine aus Südafrika, Pakistan, den Vereinigten Staaten und Brasilien.

"Es gibt einen globalen Kampf um Talente", sagte der Siemens-Forschungsvorstand Hermann Requardt. "Darum wird sich das Topmanagement in Zukunft maßgeblich kümmern müssen."

Besonders umkämpft sein dürften Managementtalente in Ländern wie etwa China, wo sich Angestellte erheblich weniger an ihr Unternehmen gebunden fühlen und häufiger den Arbeitgeber wechseln. Siemens versetzt jedes Jahr 18.000 seiner insgesamt 430.000 Mitarbeiter. Löscher räumte allerdings ein, dass sein Konzern hier noch mehr unternehmen müsse.

FTD