Dem Volk, in dessen Namen ansonsten Urteile ergehen, wird das Ende des Mannesmann-Prozesses kaum gefallen. Viele hatten sich wohl harte Strafen erhofft, gegen jene sechs Männer, die vor bald sieben Jahren rund 56 Millionen Euro unter Managern und Pensionären der Mannesmann AG verteilt hatten. Nun dürfte kommende Woche das Verfahren gegen Auflagen von insgesamt 5,8 Millionen Euro eingestellt werden.
Überraschen kann das nicht. Ein glatter Freispruch war sehr unwahrscheinlich, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) den Freispruch aus der ersten Instanz im vergangenen Dezember aufgehoben hatte. Eine rechtskräftige Verurteilung hätte es aber sobald auch nicht gegeben - selbst wenn sich das Landgericht Düsseldorf einer Bestrafung in diesem komplizierten Fall zugetraut hätte, wäre der Fall wieder vor dem BGH gelandet, weitere Monate, vielleicht Jahre wären darüber vergangen. Jeder, der sich auskennt in dieser vermaledeiten Geschichte, hat damit gerechnet, dass die Beteiligten den Seitenausgang nach Paragraph 153a der Strafprozessordnung nehmen würden - eben eine Einstellung gegen Geldauflagen. Schön ist das für niemanden, aber vielleicht ist es vernünftig.
Kein Schuldeingeständnis
Überraschend ist allerdings, dass die Angeklagten so billig davon kommen. 1,5 Millionen Euro muss der einstige Mannesmann-Chef Klaus Esser bezahlen - kaum 10 Prozent der Prämie, die er damals (brutto) einstrich. Josef Ackermann, der die Prämie mit bewilligte, zahlt 3,2 Millionen Euro - nicht einmal ein Drittel seines Jahreseinkommens als Chef der deutschen Bank. Offenbar haben sich die teuren Anwälte gelohnt, die diesen Deal ausgehandelt haben. Ihrem Verhandlungsgeschick ist es wohl auch zu danken, dass die Staatsanwaltschaft selbst in einer Presseerklärung verbreitet, mit den Geldbußen sei kein Schuldeingeständnis verbunden. Das ist zwar juristisch korrekt, aber es zu betonen ist nicht Aufgabe der Ankläger.
Wer sich über die Einstellung des Mannesmann-Verfahren empört, dem sei ein bisschen Trost mit ins Wochenende gegeben. Erstens ist es vom gerechten Volkszorn bis zu einem rechtskräftigen Urteil ein weiter Weg - nicht alles, was dem eigenen Rechtsempfinden widerspricht, lässt sich zweifelsfrei als Straftat beweisen. Zweitens ist dieses langjährige Verfahren den beteiligten Herren selbst eine harte Strafe gewesen - unabhängig von seinem Ausgang. Klaus Esser ist bis heute überzeugt, der fähigste Telekom-Manager Deutschlands zu sein, dem von den Ermittlern die Karriere zerstört wurde. Joseph Ackermann hat sichtlich darunter gelitten, seine Zeit, begafft von Journalisten und Schaulustigen, auf der Anklagebank zu verbringen, statt den Ausbau der Deutschen Bank voran zu treiben. Der einst kernige IG-Metall-Chef Klaus Zwickel konnte es bis zum Schluss nicht fassen, der illegalen Kungelei mit dem Kapital angeklagt zu sein. Wer denn Genugtuung will, kann sie aus der stillen Wut der Angeklagten ziehen.
Anschlag auf die Selbsherrlichkeit
Und drittens hat dieser Prozess einiges verändert, auch wenn er so unbefriedigend endet. Nie hat die Öffentlichkeit so intime Einblicke in das Geschehen auf den sonst so diskreten Vorstands- und Aufsichtsratsetagen bekommen, in die Details von millionenschweren Vergütungs- und Pensionsregeln. Wenn wieder einmal ein Topmanager über die Vollkasko-Mentalität der einfachen Deutschen lamentiert, wird man sich daran erinnern. Und nie wurde den Entscheidern aus den Chefetagen so deutlich gemacht, dass sie eben nicht wie Gutsherren über das ihnen anvertrautet Vermögen verfügen dürfen. Auch wenn sie nun mit einem blauen Auge davon gekommen sind, was das eine überfällige Erkenntnis. Sicher, viele Verträge werden nun anders gestaltet, damit es juristischen Ärger erst gar nicht geben kann. Aber trotzdem war dieser Prozess auch ein Anschlag auf die machtversessene Selbstherrlichkeit, die sich zuweilen in der Parallelwelt der Chefetagen breit macht.
Bitter bleibt zweierlei. Erstens: Diese zweite Hauptverhandlung war eine reine Show. Im Gerichtssaal wurden Zeugen vernommen, aber hinter verschlossenen Türen längst über das Ende des Verfahrens verhandelt. Zweitens: Der Deal zeigt, dass die Rechtspraxis zwei Maßstäbe kennt. Wer viel Geld besitzt, kann sich freikaufen.