Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt: Die Limonade des Hamburger Getränkeherstellers "Lemonaid" war im vergangenen Jahr zum wiederholten Mal von den Lebensmittelbehörden beanstandet worden, weil sie zu wenig Zucker enthalte. In den Leitsätzen für Lebensmittel heißt es, dass eine Limonade mindestens 7 Prozent Zucker enthalten muss, die Sorte Lemonaid-Maracuja enthielt bei einer Prüfung nur 5,6 Prozent.
Nun sollen die von vielen als überholt angesehenen Leitsätze geändert werden. Der zuständige Fachausschuss der Lebensmittelbuch-Kommission hat bei einer Beratung Anfang Februar einstimmig beschlossen, dass der Mindestzuckergehalt von Limonaden gestrichen wird. Das erfuhr der stern aus Kreisen des Bundesernährungsministeriums. Zuvor hatte die Wirtschaftswoche berichtet. Der Entwurf ist allerdings noch nicht abschließend beschlossen. Es stehen noch ein öffentliches Anhörungsverfahren mit der Möglichkeit von Stellungnahmen sowie weitere Beratungen aus.
Laut der avisierten Neufassung der Leitsätze dürfen sich Getränke künftig auch Limonade nennen, wenn sie weniger als 7 Gramm Zucker pro 100 Milliliter enthalten. Ganz verschwunden ist die Zuckerregel aber noch immer nicht: Die 7 Volumenprozent werden weiterhin als "üblicher Gesamtzuckergehalt" beschrieben. Limonaden mit weniger Zucker müssten diese Abweichung kenntlich machen. Wie genau das aussehen soll, ist unklar.
Lemonaid feiert noch nicht
Bei Limonadenhersteller Lemonaid ist man von Jubelstürmen angesichts der aktuellen Informationslage noch weit entfernt. "Wir wissen von nichts", sagt ein Firmensprecher. Bis zu einer offiziellen Entscheidung sehe man keinen Grund zum Feiern. Zudem will das Unternehmen erst einmal abwarten, was genau in den veränderten Leitsätzen steht.

Die Leitsätze werden von der Lebensmittelbuch-Kommission festgelegt, einem Gremium aus Vertretern der Lebensmittelüberwachung der Länder, der Wissenschaft, der Verbraucherschaft und der Lebensmittelwirtschaft. Wie sie genau angewendet werden, obliegt den Bundesländern und den lokalen Gesundheitsbehörden.
Lemonaid war Anfang 2019 erstmals ins Visier der Behörden geraten, als ein Hamburger Amt den zu geringen Zuckeranteil beanstandete (der stern berichtete). Nach öffentlicher Aufregung pfiff die Hamburger Gesundheitssenatorin ihr Amt zurück und erklärte, die Limonade nicht weiter zu beanstanden. Doch im vergangenen Jahr erhielt Lemonaid erneut Post, diesmal beanstandete das Bonner Verbraucherschutzamt den Zuckergehalt. Lemonaid beklagte "Behördenirrsinn ohne Ende", das Bundesernährungsministerium forderte daraufhin die Lebensmittelbuch-Kommission zu einer Überprüfung der Leitsätze auf. Nun scheint tatsächlich eine Änderung bevorzustehen.
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