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"Existenzbedrohende Forderung" Zu sozial fürs Finanzamt: Lemonaid drohen Steuernachzahlungen in Millionenhöhe

"Existenzbedrohende Forderung": Mit einer Petition will Lemonaid die bürokratischen Hürden abbauen
Mit einer Petition will Lemonaid die bürokratischen Hürden abbauen
© Lemonaid / PR
Von jeder verkauften Flasche gibt die Hamburger Getränkefirma Lemonaid ein paar Cent für gute Zwecke weiter – und das seit Jahren. Doch das Finanzamt will das soziale Engagement nicht anerkennen und fordert eine heftige Steuernachzahlung. Mit einer Petition kämpft Lemonaid nun für eine Änderung der Gesetze.

Lemonaid und die deutschen Behörden – das wird keine Liebesgeschichte mehr. 2019 und 2020 drohten verschiedene Ämter, dem Szenegetränk den Status als Limonade abzuerkennen, weil zu wenig Zucker drin sei. Die Zuckerposse und der Kampf der Hamburger Firma für eine Überarbeitung der Getränke-Leitlinien erregte bundesweite Aufmerksamkeit. Nun hat Lemonaid wieder Behördenärger.

Diesmal aber nicht, weil es zu gesund ist, sondern zu sozial. Wegen seines finanziellen Engagements für soziale Projekte drohen Lemonaid Steuernachzahlungen an das Hamburger Finanzamt in Millionenhöhe. "Die Forderungen des  Finanzamts sind für uns existenzbedrohend", sagt Lemonaid-Gründer Paul Bethke zum stern. "Wir werden abgestraft, weil wir zu viel Gutes tun."

Finanzamt sieht den Gegenwert nicht

Was absurd klingt, hat folgenden Hintergrund: Die Getränkefirma Lemonaid versteht sich als Sozialunternehmen und überweist für jede verkaufte Flasche 5 Cent an den unabhängigen und gemeinnützigen Verein "Lemonaid & ChariTea e.V.". So sind bis heute schon über sieben Millionen Euro zusammengekommen, mit denen der Verein Sozialprojekte in den Anbauregionen unterstützt. Vertraglich geregelt ist das Ganze durch einen Sponsoringvertrag zwischen Getränkefirma und Verein. Auf diese Weise verpflichtet sich Lemonaid selbst, auch tatsächlich für jede verkaufte Flasche einen fixen Betrag zu überweisen.

Dieses Sponsoring für den guten Zweck ist aber im deutschen Steuerrecht offenbar nicht so recht vorgesehen. Jedenfalls bemängelt das Hamburger Finanzamt im Rahmen einer Steuerprüfung: Um als Sponsoring anerkannt zu werden, fehle es an einer "Gegenleistung des Vereins". Daher handle es sich in den Augen der Behörden um eine "verdeckte Gewinnausschüttung" der Getränkefirma, schreibt das Finanzamt.

Die naheliegende Lösung, das Geld als Spende zu deklarieren, fällt laut Bethke ebenfalls aus. Denn als Spende könne er die Finanzierung des Vereins in dem hohen Umfang und der vertraglich festgelegten Kontinuität nicht absetzen, sagt der Lemonaid-Gründer. Steuerbefreit spenden dürfe er nur 0,4 Prozent des Umsatzes, die finanzielle Unterstützung des Vereins betrage aber ein Vielfaches. 

Lemonaid droht Millionenforderung

Die Folge: Allein für den Prüfungszeitraum 2015 bis 2017 fordert das Finanzamt eine Nachzahlung von 650.000 Euro. Sollte Lemonaid akzeptieren und die Forderung im Anschluss auf alle Jahre seit Bestehen des Sponsorings ausgeweitet werden, müssten die Lemonaid-Macher mehr als drei Millionen Euro ans Finanzamt überweisen, hat Bethke ausgerechnet. "Dieses Geld haben wir nicht", sagt Bethke, denn es sei ja wie versprochen an gemeinnützige Projektpartner in Ländern wie Ruanda, Indien, Südafrika oder Mexiko überwiesen worden. 

Der Lemonaid-Chef kritisiert, dass das Sponsoring eines Formel-1-Rennstalls oder Fußballvereins in Deutschland nahezu uneingeschränkt möglich sei, bei der Unterstützung eines gemeinnützigen Vereins aber angeblich die Gegenleistung fehle. Nachvollziehbar sei das nicht. "Es gibt den Wert für die Gesellschaft und es gibt den Wert für uns als Marke", echauffiert sich Bethke. 

Er sieht Lemonaid als Präzedenzfall für moderne Sozialunternehmen generell, für die das Steuerrecht offenbar noch nicht gemacht sei. Und das, obwohl die Regierung Sozialunternehmen laut Koalitionsvertrag doch eigentlich unterstützen wollte. Seine Konsequenz: "Diese absurde Rechtslage muss endlich geändert werden."

Petition für Änderung des Steuerrechts

Seit über einem Jahr ist Lemonaid schon im Austausch mit dem Finanzamt, um eine Lösung zu finden, doch das beharrt auf der Zahlung. Daher geht Lemonaid nun mit einer Petition beim Deutschen Bundestag in die Offensive. Darin heißt es: "Die bisherige Rechtslage behindert die Arbeit von Sozialunternehmen in teils existenzbedrohender Weise und benachteiligt sie gegenüber rein profitorientierten Unternehmen deutlich." Das an den Petitionsausschuss gerichtete Schreiben fordert daher: "Der Deutsche Bundestag möge die rechtliche Grundlage dafür schaffen, dass die finanzielle Unterstützung gemeinnütziger Zwecke durch Sozialunternehmen als steuerlich abzugsfähige Aufwendung anerkannt wird." 

Um die notwendigen Unterschriften für das Anliegen zu sammeln, startet Lemonaid unter dem Motto "Amtlich was kippen" an diesem Montag eine Kampagne, die das Thema in den Fokus der Öffentlichkeit rücken soll. Auch einige namhafte Künstler wie Clueso, Matthias Schweighöfer und Joko Winterscheidt haben versprochen, die Aktion zu unterstützen, sagt Bethke. Das große Ziel: Wie damals beim Thema Zucker so viel Aufmerksamkeit erregen, dass eine gute Sache nicht von Amts wegen behindert wird.

Quelle: Petition

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