Wer einen solchen Namen trägt, ist nie allein: Wenn Axel Sven Springer sich mittags an der Bar im Hamburger Verlagshaus einen Espresso bestellt, lungern immer ein paar gepflegte Sakkoträger Ende dreißig um ihn herum und schlürfen einen mit. Die Oberen von »Bild« meist. Oder Menschen, die noch Karriere machen wollen. Axel Sven, den einige »Aggi« nennen, ist der Enkel des Verlagsgründers Axel C. Springer, einer seiner Erben. Hier in Hamburg, mit »Bild«, macht Europas größtes Zeitungshaus sein Geld und oftmals auch, was das Blatt am besten kann: Stimmung. Seit kurzem heizt die Zeitung verstärkt in eigener Sache die Gemüter auf: Im Kanon mit anderen Springer-Blättern wird gegen eine »feindliche Übernahme« durch die Zeitungsgruppe WAZ gewettert. Die Clique an der Bar gefällt sich als Wächter des Springer-Erbes. Aggi sagt: »Die WAZ passt nicht zu uns.«
Doch die demonstrative
Einigkeit im Abwehrkampf täuscht. Der Axel Springer Verlag steht vor der größten Machtprobe seit dem Tod des Verlegers vor 17 Jahren. Das Gezerre um den Minderheitsanteil des Pleitiers Leo Kirch sorgt dabei für Lärm. Doch der wahre Poker findet hinter feingetäfelten Wänden des 19. Stockwerks im Berliner Verlagsgebäude statt. Hier hatte Axel Springer sein Büro. Heute regiert dort Friede Springer, seine fünfte Frau, über die Mehrheit in dem Zeitungsimperium. Die Erben haben ihre Anteile von gut 50 Prozent in der Axel Springer Gesellschaft für Publizistik gebündelt. Zu sagen hat allerdings nur eine: die Witwe. Sie ist bislang alleinige Geschäftsführerin. Nun macht Axel Sven Springer seiner Stiefgroßmutter die Alleinherrschaft streitig. Er hat den Erbenvertrag von 1985 angefochten. Schon lange machen die Minderheitserben Axel Sven und seine Schwester Ariane keinen Hehl aus ihrem Argwohn gegenüber Friede Springer. Erst recht, seitdem sie für den neuen Vorstandschef Mathias Döpfner eine fast schon mütterliche Bewunderung zur Schau trägt. Sogar wer in die Geschäftspost gucken darf, beschäftigt ein Gericht.
Der obsessive Verleger
war bis zu seinem Tod unsicher geblieben, wie der Medienkoloss in seinem Sinne weitergeführt werden kann. Einen Nachfolger fand er unter seinen Kindern nicht: eine Tochter im Ausland, ein Sohn tot, einer noch zu jung. Als Axel Springer starb, gehörte ihm nur noch gut ein Viertel des Verlages. Ein Aktienpaket lag bei Burda, ein kleineres bei Kirch, der Rest an der Börse. Das letzte Testament stammt vermutlich von 1983, zwei Jahre später soll es noch eine Änderung gegeben haben. Doch Enkel Aggi bezweifelt, ob diese jüngere Fassung tatsächlich der letzte Wille Axel C. Springers war. Sie ist nicht notariell beglaubigt. Die Erben hatten sie damals dennoch akzeptiert, weil Hausjurist Bernhard Servatius ihnen versicherte, dem kranken Springer habe es für den Gang zum Notar allein an Kraft gefehlt. Auf dieser Grundlage wurde der Erbenvertrag geschlossen. Begünstigte: Friede Springer, die einige Prozent dazubekam; sowie Springer-Sohn Nicolaus und Enkelin Ariane, die nach dem ursprünglichen Testament leer ausgegangen wären. Tochter Barbara und Enkel Aggi, damals 19 Jahre alt, mussten hingegen das Gros ihrer Anteile abgeben.
Heute fühlt sich
Aggi getäuscht. Konnte Springer das Testament nicht mehr beglaubigen lassen - oder wollte er es gar nicht? Friede Springer hat ihrerseits mit einer Klage reagiert, um die Gültigkeit der Erbvereinbarung bestätigen zu lassen. Vom stern zum Testamentsstreit befragt, ließ Friede Springer erklären, sie halte die Anfechtung für »unbegründet«. Mit einer Entscheidung über ihre Klage rechnet sie »noch in diesem Jahr«. Gleichzeitig bestätigt Friede Springer, dass der letzte Wille des Verlagsgründers »nicht mehr durch die Errichtung neuer formgültiger letztwilliger Verfügungen verwirklicht worden« sei. Es geht um viel: Friede Springer hat über die Jahre ihre Anteile aufgestockt. Noch fünf Prozent fehlen ihr, dann besäße sie die Verlagsmehrheit allein. Nur ihr Stiefenkel kann sie noch stoppen. Siegt er im Streit der Erben, muss die Witwe ihre Macht teilen.
Johannes Röhrig