Liebe Leserin, lieber Leser,
erinnern Sie sich noch an die Zeit, als Klimaschützer (und vor allem Klimaschützerinnen) die neuen politischen Rockstars waren? Greta Thunberg oder Luisa Neubauer gingen in den Regierungszentralen dieser Welt ein und aus, fast mussten sie sich der Umarmung durch die Politik erwehren. Das war zu einer Zeit, als viele noch glaubten, Klimaschutz sei vielleicht ein wenig anstrengend, aber doch ohne größeren Aufwand zu haben. Selbst die Grünen, die ja partout keine Verbotspartei mehr sein wollten, taten im letzten Bundestagswahlkampf manchmal so. Dass das eine Illusion war, war vielen damals schon klar, sie sprachen es aber nicht aus und handelten nicht entsprechend. Aus Frust darüber radikalisierten sich manche Klimaschützer hin zur "Letzten Generation" und den Klimaklebern, mit denen keiner mehr Selfies machen oder Kaffee trinken will. Eher werden sie als Terroristen beschimpft, viele wollen sie verhaften, vielleicht gar verprügeln. Was macht das jetzt mit dem Projekt Klimaschutz, der leider auf unsere Befindlichkeiten so gar keine Rücksicht nehmen kann?
In Diktaturen gab es immer Künstler, die zu Staatskünstlern aufstiegen, Lieblinge der Diktatoren, gehätschelt und gefördert. Ist Anna Netrebko, der vielleicht größte lebende Opernstar, so eine Künstlerin, eine Diktatoren-Künstlerin? Karriere hat die Netrebko allein gemacht auf den Bühnen dieser Welt – aber sie hat lange Zeit zugelassen, dass Putin und sein Regime ihre Popularität für sich nutzten. Ihren 50. Geburtstag feierte sie mit großer Gala zwar in einem öffentlichen Konzertsaal des Kreml, doch es musste ihr bewusst sein, welche Wirkung der Ort und die Grußbotschaft Putins international haben würde. Obgleich sie inzwischen nach ihrem Statement gegen den Krieg in Russland nicht mehr auftreten darf, kommt sie nicht mehr los von diesem Ruf, dem Präsidenten nahegestanden zu haben. Also gehören zu ihrem Auftrittsrepertoire neuerdings auch Buhrufe, wenn auch außerhalb der Opernhäuser. Unser Autor David Baum hat sich an die Fersen einer "Diva non grata" geheftet und geht der Frage nach, wie unpolitisch eine Künstlerin heute sein darf.
Archivierung der Hitler-Tagebücher und Follow-up im Fall Julian Reichelt
In dieser Woche feiern wir einen eher traurigen Geburtstag – zum 40. Mal jährt sich die Veröffentlichung der "Hitler-Tagebücher", die 1983 einen der größten Medienskandale in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auslösten. Die Kladden lagen seitdem in unserem Verlagshaus. Nun hat sich unser Mutterkonzern Bertelsmann entschieden, sie an das Bundesarchiv zu übergeben, die für die Sicherung von Archivgut des Bundes verantwortlichen Behörde. Zeitgleich fand diese Woche eine erste Konferenz des renommierten Münchner Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) zur "Geschichte des 'Stern' und seiner prägenden Personen" in Berlin statt.
Bertelsmann hatte das IfZ im August 2022 mit der unabhängigen wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte unseres Magazins beauftragt. Im Februar war der Forschungsauftrag um eine Untersuchung des Umgangs mit den gefälschten "Hitler-Tagebüchern" erweitert worden. Über erste Ergebnisse werden wir Ihnen berichten, sobald diese vorliegen. Das Bundesarchiv hat übrigens einst die Fälschung der Tagebuch-Kladden zweifelsfrei nachweisen können, nun wird es auch deren Archivierung übernehmen.
Vorige Woche haben wir über die Chaos-Tage im Hause Springer berichtet. Darin ging es auch um die Aufarbeitung des spektakulären Sex-Skandals um Ex-"Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt. Eine ehemalige "Bild"-Reporterin verklagte in diesem Zusammenhang in den USA Springer-Firmen und -Mitarbeiter. Der Fall wurde beigelegt, offenbar gegen eine Geldzahlung des Konzerns. Meine Kollegen Johannes Röhrig und Uli Rauss erhielten nun Einblick in einen Chatverlauf, der zumindest in dieser Affäre eine andere Lesart ermöglicht, als in der Anklageschrift kolportiert. Es geht uns gar nicht darum, Reichelt zu verteidigen oder die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe gegen ihn in Zweifel zu ziehen. Doch "schreiben, was ist" gilt auch für ihn, daher veröffentlichen wir diese Recherche.

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Herzlich Ihr,
Gregor Peter Schmitz, Chefredakteur