Leo Kirch ist wieder im Spiel. In letzter Minute könnte es dem gescheiterten Medienunternehmer gelingen, seine 40-Prozent-Beteiligung am Axel Springer Verlag selbst zu veräußern. Bei einem Verkauf an die WAZ-Gruppe würde der 75-Jährige noch einmal die gesamte deutsche Medienlandschaft in Aufruhr versetzen. Denn der Springer-Verlag will einen Einstieg der WAZ verhindern. Leo Kirch selbst könnte bei einem Verkauf Geld verdienen und danach neue unternehmerische Pläne verwirklichen.
Kein zahnloser Tiger
Nach dem Zusammenbruch seines Medienimperiums mit der Insolvenz der tragenden Säulen hatten viele damit gerechnet, nicht mehr viel von Leo Kirch zu hören. Auch, als er sich das Recht erstritt, sein 40-Prozent-Paket am Springer-Verlag bis Ende August selbst verkaufen zu dürfen, wurde das in der Branche noch nicht sehr ernst genommen. Damit wolle er den alten Rivalen noch einmal ein paar Monate ärgern. »Leo Kirch ist inzwischen ein zahnloser Tiger«, hieß es bei einer Gläubigerbank. Es galt als sehr unwahrscheinlich, dass er einen Käufer findet. Daher wurde damit gerechnet, dass die Springer-Beteiligung an die Deutsche Bank fällt, die einen 720-Millionen-Kredit damit abgesichert hatte.
Einstieg hätte politische Dimension
Doch am Freitag erklärte die WAZ überraschend, einen Erwerb der Springer-Beteiligung zu prüfen. Am Wochenende gab es angeblich weitere Gespräche. Ein möglicher Einstieg der Essener gilt in der Branche als höchst heikel. Verlegerwitwe Friede Springer lehnte einen Einstieg des Konkurrenten kategorisch ab. Zudem gilt die WAZ-Gruppe in Branchenkreisen als SPD-nah, während Springer eher dem konservativen Lager zugeordnet wird.
Springer käme vom Regen in die Traufe
Der Springer-Verlag würde nach Einschätzung von Branchenkennern durch den Einstieg der WAZ daher vom Regen in die Traufe kommen. Zwar werden die Hamburger ihren ungeliebten Großaktionär Leo Kirch nach einem jahrelangen Kleinkrieg endlich los. »Für Springer wäre die WAZ aber noch schlimmer als Kirch«, meint ein Kirch-Vertrauter. Im Gegensatz zur WAZ war Leo Kirch vor allem im Fernsehgeschäft aktiv und damit nie ein direkter Konkurrent für das Hamburger Verlagshaus. Nach Einschätzung aus dem Kirch-Umfeld könnte das Geschäft auch personelle Konsequenzen bei Springer haben. Wenn der Verkauf an die WAZ erfolgt, könnte das den Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner seinen Posten kosten, wurde spekuliert.
Mit einem Trick Mitbestimmung umgehen
Bei einem Verkauf an die WAZ dürfte es zu einer juristischen Auseinandersetzung kommen. Da es sich bei dem Kirch-Paket um vinkulierte Namensaktien handelt, hat Springer eigentlich ein Mitspracherecht bei einem Besitzerwechsel. Allerdings könnte Kirch seine Print-Beteiligungsgesellschaft, in der die Aktien liegen, an die WAZ-Gruppe verkaufen. »Dies wäre ein Umgehungstatbestand, gegen den wir uns mit allen rechtlichen Mitteln wehren würden«, sagte eine Springer-Sprecherin.
Kirch winkt Provision
Für Leo Kirch wäre ein Verkauf seines Springer-Pakets noch einmal der große Coup. Zwar wird der Erlös nicht direkt an ihn fließen. Zunächst müsste die Deutsche Bank ausgezahlt werden. Was darüber hinaus geht, steht der Bayerischen Landesbank zu, von der ein Kredit nachrangig mit der Springer-Beteiligung besichert war. Allerdings würde Leo Kirch laut Branchenkreisen eine Provision bekommen, wenn er mehr als 720 Millionen Euro erzielt.
Wieder im Rechtehandel?
Sein Ziel könnte es nach Einschätzung in Branchenkreisen sein, wieder im Sportrechtehandel Fuß zu fassen. So hatte Leo Kirch beispielsweise die Fußball-Weltmeisterschaft geschickt und profitabel vermarktet. Wenn es die Chance gebe, sei es durchaus möglich, dass sich Leo Kirch auf diesem Gebiet wieder in der Branche zurückmelde, hieß es. Gemeinsam mit seinem Vize Dieter Hahn bastelt Leo Kirch schon seit Monaten in seinem Münchner Stadtbüro an neuen Plänen.
Axel Höpner und Daniela Wiegmann