Die Rollenverteilung in der Doppelspitze der Deutschen Bank ist klar: Anshu Jain pflegt vor allem die Kontakte zur Investorengemeinde, Jürgen Fitschen hält den Draht zur deutschen Politik. Als "Brückenbauer", "Mister Germany" und "Bankier alter Schule" wurde der Niedersachse bei seiner Ernennung gefeiert. Fitschen sollte das nach einer Serie von Skandalen ramponierte Image des größten heimischen Geldhauses wieder aufpolieren. Soweit der Plan - aufgegangen ist der bislang aber nicht.
Im Gegenteil: Der gerade in aller Öffentlichkeit ausgetragene Streit mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble über die künftige Regulierung dürfte die Überzeugungsarbeit des Top-Bankers in Berlin eher erschweren. Schließlich ist Schäuble auch oberster Dienstherr der Finanzaufsicht BaFin. Von "unklug" bis "gefährlich" reichen daher die Kommentare von Politikern und Aktionärsvertretern.
Anderthalb Jahre nach dem Start des Führungstandems hat das Image des Saubermanns Fitschen Kratzer bekommen. In Frankfurt und München laufen Ermittlungen der Staatsanwaltschaften gegen den 65-Jährigen. In der Mainmetropole geht es um Umsatzsteuerbetrug im Zusammenhang mit dem Handel mit CO2-Emissionsrechten. Die Ermittler in der bayerischen Landeshauptstadt werfen ihm vor, im langjährigen Rechtsstreit der Bank mit den Erben des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch vor Gericht gelogen zu haben. Das sind schwere Anschuldigungen gegen den Mann, der als Präsident des Bankenverbands in Berlin auch die Lobby-Arbeit für alle privaten Finanzinstitute macht.
"Es steht zu befürchten, dass die Deutsche Bank durch solche Streitereien an Gehör verliert in der Politik", sagt Klaus Nieding, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Das Geldhaus drohe, den eigentlich guten Zugang zur Regierung aufs Spiel zu setzen - in der Finanzkrise hat der frühere Vorstandschef Josef Ackermann beispielsweise die Rettung der Hypo Real Estate mit Bundeskanzlerin Angela Merkel verhandelt. "Ich halte es nicht für klug, wenn Fitschen auf dem Marktplatz einen Clinch mit Schäuble austrägt." Denn dabei könne der Bankchef nur verlieren. "Schließlich hat die Banken-Lobby gerade nicht die Lufthoheit über den deutschen Stammtischen."
Schon die zweite Empörungswelle über Fitschen
Vor ziemlich genau einem Jahr hat Fitschen schon einmal eine Empörungswelle in der Politik ausgelöst. Auslöser war ein Anruf des Vorstandschefs bei Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, in dem er sich über eine Großrazzia in der Frankfurter Zentrale des Geldhauses beschwerte. Dem Banker wurde damals vorgeworfen, offenbar über dem Gesetz stehen zu wollen. "Fitschen muss sehr aufpassen, dass er nicht ein Nörgel-Image bekommt", mahnt Nieding.
Eine Person, die Fitschen lange kennt, sieht Parallelen zwischen dem aktuellen Streit und dem damaligen Anruf: "Immer wenn Fitschen unter Druck gerät, verliert er leicht die Nerven." Die Bank wollte sich am Freitag nicht äußern. In Kreisen des Instituts hieß es, man sei über die deutliche Kritik Schäubles überrascht gewesen.
Fitschen "abgewatscht wie ein Schuljunge"
Ausgelöst hatte das aktuelle Wortgefecht eine Interview-Äußerung des Bundesfinanzministers in dieser Woche. "Die Kreativität der Banken, die Regulierung zu umgehen, ist weiterhin groß", sagte der CDU-Politiker dem "Handelsblatt". Er wisse, dass die Banken meinten, es reiche mit der Regulierung, aber dem sei nicht so. Fitschen warf Schäuble daraufhin Populismus vor und betonte: Es sei nicht in Ordnung, wenn man so tue, als ob es bei den Banken so weitergehe wie in den Jahren vor der Finanzkrise. Der Minister konterte daraufhin einen Tag später ungewöhnlich scharf. "Ich weiß nicht genau, ob er verstanden hat, was ich wirklich gesagt habe." Der Bankchef habe sich da "ganz sicher im Ton vergriffen". Ein Bankenlobbyist, der seit Jahren in Berlin arbeitet, ist von der Deutlichkeit der Kritik überrascht: "Ich kann mich nicht erinnern, dass ein Chef der Deutschen Bank schon einmal so öffentlich wie ein Schuljunge abgewatscht worden ist."
Regierungssprecher Steffen Seibert versuchte am Freitag zwar die Wogen zu glätten, indem er betonte, man werde auch in Zukunft gut mit der Bankenbranche zusammenarbeiten. In Berlin jedoch wird das Verhältnis Schäubles zu Fitschen als professionell, aber nicht sonderlich eng beschrieben.
"Herr Fitschen hat wohl Schwierigkeiten, die Realitäten anzuerkennen. Das ist aber die Voraussetzung für einen Kulturwandel", kritisiert SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. "Zur Realität zählt, dass seine Bank in zig Verfahren verwickelt ist und Schuld eingestehen musste." Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, vermisst zunehmend die nötige Reformbereitschaft einiger Banker. "Ein klares Bekenntnis zu eigenen Fehlern und notwendigen Veränderungen sieht jedenfalls anders aus." Von einer ungewohnten Seite bekommt Fitschen dagegen Rückendeckung: Der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Gerhard Schick, teilt den Populismus-Vorwurf: "Schäuble ist da ein großer Blender."