Möbelkauf Elchtest fürs Leben

Möbel sind Nebensache: Paare, die bei Ikea einkaufen, wissen hinterher, ob's echte Liebe ist.

Der Erfolg von Ikea lässt den klassischen Möbeleinzelhandel schon lange grübeln: Was müssen wir tun, fragt man sich in den Wohnmeilen und Wohnparks draußen vor den Städten, um so erfolgreich zu sein wie die Schweden? Sollen wir unsere Möbel jetzt auch in Einzelteilen verkaufen? Sollen wir Kindertrompeten und Teelichter ins Sortiment aufnehmen? Müssen wir den Kunden auch lauwarme Hackbällchen anbieten? Der Möbeleinzelhandel täte gut daran, es zu lassen. Mit so einer oberflächlichen Reaktion befände er sich auf dem Holzweg aus unbehandelter Kiefer.

Wer jemals

bei den unmöglichen Schweden eingekauft hat, weiß, dass es gar nicht um Möbel oder den Klein-Schnickschnack aus der Küchen-, Kerzen- oder Kinderabteilung geht. Menschen verstopfen an Samstagen nicht komplette Stadtteile wegen einer Komplettküche (ohne Elektrogeräte), sie zeigen einander auf Parkplätzen nicht den Stinkefinger, nur weil sie einen Klemmspot für 9,90 Euro und ein paar herzförmige Kissen mit Schlenkerärmchen kaufen wollen, sie lassen sich an der Kasse auch nicht vom Hintermann scharfkantige Ivar-Seitenteile in die Hacken rammen, nur weil es unbedingt das Tromsö-Hochbett fürs Kind sein muss. Menschen suchen bei Ikea etwas anderes.

Das nordische Möbelhaus ist in Wahrheit ein soziales und psychologisches Trainingscamp, in dem es um den Erwerb von Menschenkenntnis, um die Einübung von Toleranz und Geduld, um den Abbau von Vorurteilen geht. Oder umgekehrt, jedenfalls hat der Möbelkauf dabei nur kollaterale Bedeutung. So hatten wir in Deutschland, bevor Ingvar Kamprad aus Älmhult den Kreuzzug mit dem Imbusschlüssel begann, ein Vorurteil: Die Schweden, so dachten wir, seien depressive Schweiger, die mit tollen Frauen gesegnet sind und in Volvo-Kombis blonde Kinder durch die Weltgeschichte fahren.

Nachdem wir

nun das zweite Küchen-Starterset und die dritte Garnitur Billy-Regale verschlissen haben, hat sich unser Schwedenbild erweitert: Wir halten die Schweden für depressive Schweiger, die mit tollen Frauen gesegnet sind und in ihren Volvo-Kombis blonde Kinder durch die Weltgeschichte fahren. Aber obendrein haben sie doch einen ziemlichen Elch im Nacken, weil sie ihren Möbeln so lustige Namen geben. Wer sich Leksvig und Rekdal, Trevlig, Snuttig, Droppen oder Flimrick gekauft hat, lacht sich schon mal tot, bevor er die Möbel zusammengebaut hat. Echt witzig, diese Wikinger.

Ikea hat seine eigentliche Bedeutung als Prüfungszentrum für Paare. Wer vom Gelände fährt, ohne an Trennung oder Scheidung zu denken, kann sicher sein, jemanden fürs Leben gefunden zu haben.

Wer mit seiner

Freundin zusammenbleibt, nachdem sie sich fräsengleich eine Schneise durch die Kleinkramabteilung gekauft hat ("Schatz, wir haben schon ein Abtropfgestell" - "Ja, aber Utsaga kostet doch nur 7,70"); wer den Partner nicht verlässt, nachdem er stundenlang versucht hat, ein zu großes Sofa in ein zu kleines Auto zu verstauen ("Das geht da doch nie rein, Hase" - "Ich schaff das, ich schaff das. Das muss gehen. Schieb doch mal, Hannelore!"); wer seine Kinder nicht ins Heim gibt, nachdem sie einen für alle hörbar gefragt und in der gesamten Kissenabteilung bloßgestellt haben: "Papa, heißt Dunvik auf Deutsch eigentlich "besoffen vögeln"?" - wer das alles hinter sich gebracht hat, der ist für alle Tiefen der Partnerschaft gerüstet, der hat den Elchtest des Lebens bestanden, sollte sich schleunigst Bergen, Faktum und Kvarnby kaufen und Duktig freuen. Ärlig.

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Peter Pursche