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Nebenverdienste Bundesrechnungshof kritisiert AOK-Bosse

Die AOK gerät in der Affäre um versteckte Extrahonorare und häufige Mallorca-Reisen ihrer Manager unter Druck. Nun will der Bundesrechnungshof Transparenz - und die Kassenmanager verwickeln sich in Widersprüche.
Von Hans-Martin Tillack

Hans Jürgen Ahrens gilt als kunstsinnig, belesen und als Freund guten Essens. Doch neuerdings ist dem Chef des Bundesverbandes der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) die Lebensfreude ein bisschen vergällt.

Am vergangenen Donnerstag hatte der stern enthüllt, wie großzügig Ahrens' Kassenverband mit dem Geld der Versicherten umgeht. Mit dem werden versteckte Extrahonorare für einige AOK-Granden finanziert - sowie regelmäßige Mallorca-Reisen von Ahrens und Co. Seitdem herrscht in der AOK-Spitze schlechte Stimmung.

Ahrens klagt über "Dunkelmänner"

Ahrens wettert nun über die "Desinformationsabsichten" von vermeintlichen "Dunkelmännern" - und über angebliche Falschbehauptungen des stern. Die nachzuweisen fällt den Kassenbossen aber schwer. Stattdessen verwickeln sie selbst sich in Widersprüche.

Etwa beim Stichwort "Patenhonorare": unter diesem Rubrum zahlt Ahrens' AOK-Bundesverband an die Chefs einzelner Landeskassen jährlich bis zu 30.000 Euro für die Beratung anderer, zuschussbedürftiger Landeskassen. Obwohl die Kassenchefs laut Gesetz einmal pro Jahr ihre Vorstandsgehälter "einschliesslich Nebenleistungen" publik machen müssen, hielt die AOK die Patenhonorare bisher unter der Decke. Eine Veröffentlichung sei auch gar nicht nötig, weil es sich hier um "Nebeneinkünfte" handele, die der AOK-Bundesverband gezahlt habe, nicht die zuständige Landes-AOK - so das spitzfindige Argument von Jürgen Cronauer, dem Sprecher des rheinland-pfälzischen AOK-Chefs Walter Bockemühl. Es gebe "keinen Anhaltspunkt", so Cronauer, "dass der AOK-Bundesverband etwas hätte veröffentlichen müssen, oder dass hier sogar ein Rechtsverstoß vorliegen könnte".

Rechnungshof macht Druck

Das sieht zumindest der Bundesrechnungshof ausdrücklich anders. "Wir sind der Meinung, dass solche Nebeneinkünfte veröffentlicht werden müssen", sagte Rechnungshofsprecher Andreas Krull zu stern.de. Erst kürzlich hatte der Hof die Vorstandsgehälter der Krankenkasse offiziell durchleuchtet. Aber auch gegenüber der Prüfbehörde hatte die AOK die Patenhonorare offenbar verschwiegen.** Erst aus dem stern erfuhr der Bundesrechnungshof von den fragwürdigen Sonderprämien.

Zumindest das Bundesgesundheitsministerium habe die Tätigkeit der Paten "genehmigt", hatte die AOK behauptet. Doch inzwischen dementiert selbst das Haus von Ministerin Ulla Schmidt (SPD). Die Behauptung, man sei "von der so genannten Paten-Tätigkeit informiert gewesen und habe diese gebilligt" sei "falsch", sagte ein Sprecher der Gesundheitsministerin zu stern.de. Er verweigerte jedoch Auskünfte über mögliche Konsequenzen aus der Patenpraxis. Das Gesundheitsministerium übt die Aufsicht über die Bundes-AOK aus, ist in der Affäre um die Finanzpraktiken der Kasse aber erstaunlich schmallippig. Auf einen detaillierten Fragenkatalog, den der stern am 5. August an das Ministerium geschickt hatte, hat die SPD-Politikerin bis heute nicht reagiert.

Mallorca - immer eine gute Idee

Die AOK wiederum wartete mit weiteren fragwürdigen Behauptungen auf. Dank der Arbeit der Paten seien "Einsparungen im hohen dreistelligen Millionenbereich erzielt worden", versicherte die Kasse vergangene Woche. Auf diese Weise habe "auf die Einschaltung von sehr viel teureren Unternehmensberatungen verzichtet werden" können. Doch merkwürdig: Für die Sanierung der Landeskasse Rheinland-Pfalz bezahlt der AOK-Bundesverband erstens die Kassenchefs von Bayern und Niedersachsen als Paten - und die Landeskasse konnte zweitens trotzdem nicht darauf verzichten, die Unternehmensberatung McKinsey einzuschalten.

Mit einer glatten Falschbehauptung rechtfertigte die Krankenkasse gar die jüngste Mallorca-Reise von AOK-Bundeschef Ahrens. Die habe stattgefunden, um das 15-jährige "Bestehen" der AOK-Geschäftsstelle auf der Ferieninsel zu begehen, erklärte ein Sprecher der Kasse. Tatsächlich wurde das Büro in Palma de Mallorca aber erst im Mai 1995 eröffnet - es besteht also erst seit gut 13 Jahren. Nachgeschobene Erklärung der AOK: Es sei die Idee zur Eröffnung der Filiale in Palma de Mallorca, die vor 15 Jahren geboren worden sei.

Und nicht wahr: Wenn man schon mal eine gute Idee hatte - warum soll man das nicht regelmäßig feiern?

** Nachtrag: Nach Publikation dieses Artikels meldete sich die AOK beim Autoren. Die Kasse beharrt darauf, sie habe gegenüber dem Bundesrechnungshof keine Informationen zurückgehalten.

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