Porträt Der andere Porsche

Von Jan Keith
Er ist der Spross einer der schillerndsten Unternehmerdynastien in Deutschland und steinreich. Doch statt große Geschäfte zu machen, hält sich Daniell Porsche raus - und steckt sein Vermögen in soziale Projekte.

Als alles fertig war und die Familie zu Besuch kam, da schoss sein Puls in die Höhe. Was würde sie sagen? Über diese Schule mit ihren Lärchenschindeln, den schrägen Ecken, den runden Türen. Monatelang hatte Daniell Porsche an seinem Wunderwerk getüftelt. Geplant, diskutiert, Millionen investiert, das Holz ausgesucht, die Farben für die Klassen. Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett. Nachts schlief er nur drei Stunden, tags schlug er sich mit den Behörden herum, wegen der Öfen. Offenes Feuer in Schulklassen? Völlig unmöglich. Daniell Porsche ließ sie trotzdem bauen, nannte sie "Therapieöfen" und kam damit durch. Irgendwie.

Sie reisten also nach St. Jakob am Thurn, der Vater, der Onkel, der Neffe, die Cousine, 22 Leute aus dem Porsche-Clan, zur Besichtigung der Paracelsus-Schule. Er führte sie von Klasse zu Klasse, in diese Räume, wo kein Türrahmen dem anderen gleicht und die Farben dem Alter der Schüler zugeordnet sind. Je jünger, desto wärmer. "Klar haben einige geschmunzelt", sagt Daniell Porsche. Aber böse Sprüche? Gab es keine. "Dabei dachte ich, dass zumindest einer sagt: Jetzt ist unser ganzes Firmenkapital in diesen Schmarren reingegangen."

Erbe von 12,5 Prozent der Porsche-Aktien

Es war ein seltsames Clan-Treffen; die Autonarren zu Gast beim Anthroposophen, bei Daniell Porsche, dem Weltverbesserer. 6,5 Mio. Euro hat er bezahlt, für eine neue Schule für 35 verhaltensauffällige und behinderte Kinder. Natürlich ist auch er ein "Porsche-Bubi", wie er selbst sagt, ein Urenkel des legendären Ferdinand Porsche, ein Neffe von Ferdinand Piëch.

Fast ein Achtel der Porsche-Aktien wird der 34-Jährige einmal erben, schon jetzt gehören ihm zehn Prozent der Salzburger Porsche Holding, eines der größten Autohandelskonzerne Europas. Und doch ist Daniell Porsche anders. Ein Sprössling, der aus der Art schlägt. Jemand, der - zumindest auf dem Papier - ein Milliardär ist und sagt: "Ich will meinen Reichtum teilen, statt nur wieder eine neue Jacht zu kaufen."

Er spricht diese Worte wie ein Pfarrer bei einer Predigt. Man glaubt sie ihm, sie klingen unverfälscht, ehrlich. Wie er so dasitzt, seine kräftigen Hände immer in Bewegung, eine Locke, die immer wieder unbändig in seine Stirn fällt, da spürt man gleich: Der ist einer, der sich nicht so schnell unterkriegen lässt. Ein zäher junger Mann mit etwas rundlichem Gesicht, leichtem Bauchansatz, freundlichen braunen Augen.

Ein sturer Gutmensch

Nein, unterschätzen sollte man ihn nicht, nur weil er ein Gutmensch ist. "Ich kann sehr stur sein", sagt er. Sie haben ihn belächelt. Er sei zu sozial eingestellt, haben manche gesagt. Auch in der Familie gab es Zweifler. "Wenn wir alle so wären wie du, lieber Daniell, dann würde es uns heute nicht so gut gehen." Er entgegnete: "Wenn alle in der Wirtschaft so wären, dann würde es allen auf der Welt gut gehen." Daniell Porsche ließ sich nicht beirren und erfüllte sich seinen Wunsch: "etwas Sinnvolles mit dem Geld anzufangen". Nun hat er es geschafft, ist Chef in seiner eigenen Welt, fernab von Aktienkursen, Unternehmensstrategien, Aufsichtsratssitzungen. Sein Kosmos ist die Natur hier draußen vor den Toren Salzburgs, Bauernhäuser, Tannen, Wiesen, schneebedeckte Berge. Und eben diese Waldorfschule für "seelenpflegebedürftige Kinder", wie er sie nennt. Einige leiden an Autismus, andere am Downsyndrom oder an Epilepsie. Die meisten stammen aus schwierigen sozialen Verhältnissen, an einer normalen Schule würden sie nicht zurechtkommen.

"Hier vermitteln wir ihnen das Gefühl: Du bist so, aber du kannst eigentlich nichts dafür. Und wir helfen dir, dass du da rauskommst." So formuliert es Porsche, und am liebsten würde man gleich durchs Dorf laufen und die Menschen fragen: Ist der Daniell Porsche wirklich so ein Gutmensch?

Auch Ferdinand Piëch soll die Schule mögen

Die Kellnerinnen im Wirtshaus "Schützenwirt" sagen später: Ja, das ist er. Morgens sehen sie den Milliardär manchmal, wie er Schnee räumt, die Straße mit Split streut oder den Müll hinausbringt. Daniell Porsche antwortet so: "Ein guter Mensch ist man dann, wenn man einen Schritt wählt und sagen kann: Dahinter kann ich stehen."

Daniell Porsche kann dahinter stehen. Er pumpt nicht nur einfach seine Millionen ins Projekt und spielt anschließend den Gönner. Er kümmert sich auch selbst um die Kinder. Jeden Mittwoch packt er seine Instrumente aus - Alphorn, Leier oder Chrotta, eine Art Cello - und singt den Kindern vor. Lieder wie "Es tönen die Lieder, der Frühling kehrt wieder." Porsche ist nicht nur gelernter Waldorfpädagoge, sondern auch Musiktherapeut.

Fast jeden Tag verbringt er Zeit in der Schule, die seit über zwei Jahren in diesem neuen Gebäude untergebracht ist. Er unterrichtet zwar nicht, dafür ist er Obmann des Schulvereins, Eigentümer, Organisator und so etwas wie die gute Seele des Orts, ja des gesamten Porsche-Clans. "Im Grunde finden es viele aus meiner Familie gut, was ich mache", glaubt er. Selbst Ferdinand Piëch, sein Onkel, der knochenharte Manager, freue sich mit einem ganz kleinen, weichen Anteil seines Herzens darüber. "Aber er würde es wohl nicht zugeben."

Ohne die Autos gäbe es auch kein Geld

Geld bekommt Porsche keins für sein Engagement. Natürlich nicht. Es ist ein Ehrenamt. Von den jährlichen Ausschüttungen der Porsche Holding behält er 20 Prozent für sich, seine Frau und die beiden Kinder, Ismene und Pamino. Der große Rest fließt in soziale Projekte. 15 Mio. Euro hat er in den vergangenen Jahren investiert, vor allem in seine Schule. Sie kostet jährlich 900.000 Euro, davon übernimmt er selbst die Hälfte, die andere Hälfte kommt durch Spenden und staatliche Beihilfen zusammen.

"Es ist eine Gnade, dass so etwas entstehen kann", sagt er - und weiß, wem er das alles letztendlich zu verdanken hat: "Ohne diese Autos, die nun mal so sind, wie sie sind, hätte ich nicht das Geld, um helfen zu können." Deshalb steht er auch zur Familie, fährt sogar selbst einen Cayenne. Aber in die Firmenpolitik mischt er sich nicht ein. Was er vom VW-Coup seines Onkels hält? "Mein Gefühl sagt mir, das ist genial." Mehr sagt er nicht. Warum auch? Das ist nicht seine Welt.

Ein eigenes Reich erschaffen

Sie liegt woanders, weiter oben auf 1000 Metern. Dort hat er ein Haus, zwei Pferde, einen Esel. Eine Welt, die er sich schon als Kind so erträumt hat, damals in den 80ern. Der kleine Daniell, acht Jahre alt, ein sonderbarer, zurückgezogener Kerl. Einer, der ertrinkende Bienen aus dem Swimmingpool des Vaters herausfischt, sie trocken bläst und ihnen so das Leben rettet.

Der Waldorfschüler erschafft sich sein eigenes Reich, im Hobbykeller. Ein Tüftler, ein Technik-Freak. Er wünscht sich von seinen Eltern Rohre - und konstruiert damit ganze Kanalisationen im Sandkasten. Später kauft er sich vom Taschengeld keine Süßigkeiten, sondern eine Maschine nach der nächsten: Hobel, Handkreissäge, Tischkreissäge, Oberfräse, Bohrmaschine.

Während die anderen Jungs Fußball spielen oder in die Tanzschule gehen, verkriecht er sich immer mehr, bastelt nach dem Tod seiner Großmutter einen Sarg für sie, baut einen ferngesteuerten Heißluftballon. Monatelang arbeitet er daran, flicht den Korb, schweißt den Brennrahmen, näht mit Mutters Nähmaschine die Ballonhülle. Der Ballon fliegt. Was für ein Erfolg!

Mehrere Tausend Schilling im Portemonnaie

Und er stellt Fragen. Warum hat sein Vater Hans-Peter Porsche oft mehrere Tausend Schilling im Portemonnaie und die anderen Väter nur 20? Daniell begreift, dass er privilegiert ist. Und seine Überzeugung reift heran: Er will etwas Gutes tun. Den Armen helfen. Irgendwie.

Aber wie? Noch weiß er es nicht. Nach seinem Studium der Pädagogik und Musiktherapie stellt er sich 2004 bei der Paracelsus-Schule Salzburg vor, will dort ein Praktikum machen. Was er sieht, gefällt ihm nicht: Das Gebäude ist zu klein, der Keller feucht, die Kinder sind in den beengten Räumen aggressiv. Ein neues Gebäude muss her, denkt er sich. Und nimmt sich der Sache an.

Aus dem "Schützenwirt" wird die "Paracelsus-Schule"

Er, der Praktikant, tritt mit den anderen Lehrerkollegen in Kontakt zu Maklern, Architekten, Banken, Behörden - und findet in St. Jakob am Thurn, diesem Bilderbuchdorf mit Kirche und Wehrturm, das passende Gebäude: eine Kneipe, die zum Verkauf steht, den "Schützenwirt". Er kauft die Liegenschaft, lässt den Dorfbewohnern aber ihr Wirtshaus und baut die Schule nebenan. Heute heißt der ganze Komplex Kulturzentrum St. Jakob am Thurn. Paracelsus-Schule, Wirtshaus Schützenwirt und ein Veranstaltungssaal, alles in einem. Das Universum des Daniell Porsche.

Jetzt steht er da, mit rotem Hemd unter blauem Pullunder, streicht einem Jungen durch die Haare. Noch zwei Minuten, dann muss er weg, zum nächsten Termin. Er klettert auf seinen orangen Traktor, seinen "Zweitwagen", an dessen Front er ein Porsche-Emblem installiert hat. Er habe da so einen Traum, sagt er zum Abschied. Er will die Ligurische Grenzkammstraße bereisen, eine abgeschiedene, schwer zu befahrene Schotterpiste in den Alpen, zusammen mit Freunden, jeder in einem Cayenne. Klar, in was auch sonst? Ein Grinsen, ein verträumter Blick in die Ferne wie ein Junge, der sich auf seine Weihnachtsgeschenke freut. Ein Porsche-Bubi halt.

FTD

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