Sie verließen fluchtartig den Tatort, das Flugzeug wartete bereits am Flughafen Basel, um sie vor dem Nachtflugverbot noch zurück ins wie ein Fort bewachte "Hotel Four Seasons Terre Blanche" in den dicht bewaldeten Hügeln Tourettes im Süden Frankreichs zu bringen. Dort wollen sie sich erst einmal verschanzen, um Kriegsrat zu halten. Und um sich zu sammeln. Es gibt ja auch einiges zu besprechen nach einem 3:5 gegen die Schweiz, zwei Wochen vor einer Europameisterschaft. Mit schweren Beinen seien seine Nationalspieler angereist, hatte der Bundestrainer Joachim Löw bereits vor der Partie gewarnt. Zu den schweren Beinen gesellte sich auf der Rückreise nun auch noch ein dicker Kopf.
Wie konnte das passieren?
Zunächst einmal dürfte Löw vor allem die Einstellung seiner müden Recken tadeln. Seine Männer präsentierten sich gegen ein Land, das seit 56 Jahren nicht mehr gegen den großen Nachbarn gewinnen konnte und vom noch immer chronisch ehrgeizigen Ottmar Hitzfeld trainiert wird, als hätten sie sich auf einen gemächlichen Kick im Park eingerichtet. Gemütlich joggten Khedira, Özil, Podoski und Kollegen durch den sonnengefluteten St. Jakob Park, die Freibadatmosphäre im Stadion hatte zumindest bei ihnen ihre Wirkung nicht verfehlt. Als faszinierende Abwehrfehler den Schweizern Tor um Tor ermöglichten, war es zu spät, die Partie noch in ein veritables Länderspiel umzudeuten. Der Geist des Müßiggangs, er war aus der Flasche.
Lustlose Streichkandidaten
Dabei kämpft der halbe Kader noch dagegen an, nicht zu jener schwarzen Liste der vier Streichkandidaten zu gehören, die nicht den Trip nach Polen und in die Ukraine antreten dürfen. Am Dienstag wird die Liste des Schreckens präsentiert. Er werde seine Entscheidung nicht von einem Spiel abhängig machen, hatte Löw im Vorfeld verkündet. Ein Fehler, wie man heute weiß.
Hätte Löw unmittelbar nach dem Spiel unter dem Eindruck des Erlebten seine Entscheidung bekannt gegeben, es wäre wohl zum Stau an der deutschen-schweizerischen Grenze bei der Zollabfertigung gekommen. Unter all den lässigen Lustlosen ragte vor allem der Dortmunder Götze heraus, der gemächlich durchs Mittelfeld trabte, und sorgenvoll musste man sich fragen, ob dies nun der eigenen Fitness oder wirklich fehlender Motivation geschuldet war.
Dortmunder können nicht überzeugen
Überhaupt die Dortmunder, Meister mit Rekordpunktzahl sind sie geworden, und mancher Journalist fragte zuletzt bereits vorsichtig, ob nicht lieber der eine oder andere der acht im Champions-League-Finale kollabierten Münchner Nationalspieler ganz von der Auswahl ferngehalten werden sollte. Um die seligen Westfalen und den Rest nicht mit seinem Frust anzustecken. Das Thema kann seit Samstag erledigt betrachtet werden. Die Dortmunder selbst zerstreuten die Sorge mit schier unendlicher Fehlerzahl. Denn neben Götze bewies auch der linke Verteidiger Marcel Schmelzer, dass Löws generelle Skepsis an seiner Schaffenskraft nicht unbegründet ist. Auch der Innenverteidiger Mats Hummels tat sich mit ungewohnten Konzentrationslöchern hervor, dabei befindet er sich in einem Zweikampf um eine freie Planstelle neben Bayern Holger Badstuber mit Per Mertesacker in der Innenverteidigung.
Weil auch Mertesacker nach langer Verletzungspause nur schwerfällig durch den eigenen Fünfmeterraum mäanderte, könnten Löw bald düstere Gedanken beschleichen. Eine salomonische Lösung zwischen Mertesacker und Hummels zieht da drohend herauf: Jerome Boateng. Der bildete mit Badstuber in München ein wenn nicht überragendes, so doch solides Tandem vor dem eigenen Torwart Neuer, die Drei sind also eingespielt mit einander, was auch kein Nachteil ist.
Ablenkung bei der Formel 1
Doch Boateng wird wohl wieder einmal als zweiter Außenverteidiger neben Philipp Lahm gebraucht, denn auch Löws Geduld mit dem Schalker Höwedes, wie Schmelzer vor dem Spie ein Kandidat, neigt sich dem Ende zu. So ragte lediglich Marco Reus im Mittelfeld in der Zeiten Halbzeit wirklich heraus. Der Noch-Mönchengladbacher, bald auch in Dortmund aktiv, bot eine engagierte und technisch hervorragende Leistung. Immer wieder stieß er in die Spitze vor und bemühte sich um ein schnelles Direktspiel. Passen die Herren Kroos, Podolski oder Müller nicht auf, erwächst ihnen da ein echter Konkurrent um einen Stammplatz. Ansonsten kommen die Sieger dieses Spiels aber aus München. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass diese Elf ohne die acht diesmal noch geschonten Profis Made in Bavaria nicht auskommt, er wurde am Samstag erbracht.
Heute geht es nun schon wieder in die Luft, diesmal nicht im Flugzeug, sondern im Hubschrauber. Das Ziel der Elf diesmal: Monaco. Formel 1. Eigentlich sollte das Ganze nur eine launige Ausfahrt sein. Nun wird eine Bildungsreise daraus: Aus nächster Nähe können Löws Männer im Fürstentum erleben, wie schnell ein Sport auch ausgeübt werden kann.