Erst die 55 Milliarden Euro aus einem Rechnungsfehler bei der HRE, jetzt sollen weitere fast 40 Milliarden Euro das Staatssäckel füllen: Anders als viele seiner Amtskollegen im Euroraum hört Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) derzeit ein Klingeln in der Kasse. Hinter der jüngsten versprochenen Finanzspritze steckt der Arbeitskreis Steuerschätzung: Die Experten gehen davon aus, dass die hohe Beschäftigung Bund, Ländern und Gemeinden in den kommenden Jahren voraussichtlich mehr Geld in die Kassen spült als bisher erwartet. Von 2011 bis 2015 sollen es um 39,5 Milliarden Euro höhere Einkünfte sein als in der Prognose im Mai prophezeit.
Für das laufende Jahr gehen die Experten davon aus, dass der Gesamtstaat 16,2 Milliarden Euro mehr Steuern einnimmt als gedacht. Im Jahr 2012 gehen sie von einem um 7,4 Milliarden Euro höheren Ergebnis aus, 2013 sollen es 4,5 Milliarden mehr sein, ein Jahr später 5,2 Milliarden und 2015 ein Zuwachs um weitere 6,2 Milliarden Euro.
Schäuble dämpft die Erwartungen
Der Finanzminister tritt trotz der angekündigten Mehreinnahmen auf die Bremse: Erwartungen an zusätzliche Entlastungen seien nicht angebracht, sagte Schäuble in Cannes am Rande des G20-Gipfels. "Der Spielraum ist eher gering." Von den für den Bund 2012 erwarteten Mehreinnahmen gegenüber der Mai-Steuerschätzung seien bereits zwei Milliarden Euro verplant und in den Etat eingestellt.
Die Steuerschätzung ist die Grundlage für die Aufstellung der öffentlichen Haushalte. Dem Schätzerkreis gehören rund 35 Vertreter aus den Finanzministerien von Bund und Ländern, der Bundesbank, von Forschungsinstituten, der Kommunen, des Sachverständigenrates und des Statistisches Bundesamtes an.
Vor dem Hintergrund der Schätzung wollen die Spitzen der Koalition am Sonntag über eine Steuerentlastung der Bürger ab 2013 beraten. Dazu sind neben Steuersenkungen um sechs bis sieben Milliarden Euro im Jahr auch Veränderungen am Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent im Gespräch. Den Soli können Union und FDP im Bundestag ohne Zustimmung des Bundesrates beschließen, wo sie keine Mehrheit haben.