Ob Baustellen statt Meerblick, eine unfertige Sportanlage statt flotter Tennisstunden, hämmernde Discorythmen unter ihrem Zimmer oder fehlende deutschsprachige Reiseleitung – wenn Urlauber von solchen Unannehmlichkeiten heimgesucht werden, ist der nächste Schritt gewöhnlich die Reklamation. Doch einfach nur reklamieren reicht nicht, wenn man für die entgangenen Urlaubsfreuden auch Bares sehen will. Grundsätzlich gilt: Je früher Sie sich beschweren, desto besser stehen auch Ihre Chancen.
Sofortige Mängelanzeige am Urlaubsort
Oberstes Gebot: Die Mängel müssen schon am Urlaubsort sofort dem Veranstalter oder Reisebetreuer gemeldet werden. »Der Gesetzgeber verpflichtet den Reisenden, zunächst den Mangel dem Reiseveranstalter anzuzeigen. Wer erst einmal gar nichts unternimmt, hat sich schon von der Möglichkeit, später Ansprüche geltend zu machen, ausgeschlossen«, erklärt Beate Wagner, die Reiserechtsexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Wichtiger Hinweis der Fachfrau: »Reiseveranstalter heißt in diesem Zusammenhang die Vertretung vor Ort - also die Reiseleitung - nicht etwa der Hotelier.«
Ist keine Reiseleitung vor Ort, muss man sich per Telefon (am besten im Beisein von Zeugen) oder per Fax an den heimatlichen Reiseveranstalter wenden. »Die Gerichte sind sich in diesem Punkt uneins«, so Wagner weiter. »Manche sagen es reicht aus, wenn man sich bemüht hat und das auch nachweisen kann. Andere verlangen, dass man dann den Veranstalter zu Hause erreicht. Wir empfehlen, dass man dem Veranstalter trotzdem vorsorglich ein Fax schicken sollte.« Wenn man im Katalog gebucht hat, sollte man neben der Kontaktadresse des Reiseveranstalters auch die entsprechenden Katalogseiten mitnehmen, damit man weiß, was an Leistungen versprochen wurde und dies am Urlaubsort wirklich der Realität entspricht.
Beschwerdeprotokoll
Zugleich ist ein Beschwerdeprotokoll (Datum und Uhrzeit nicht vergessen) an den Veranstalter unerlässlich, in dem man die Beanstandungen einzeln aufführt und eine Frist (meist innerhalb von 1-2 Tagen) zur unverzüglichen Mängelbeseitigung angibt. Oft können Mängel wie etwa Verschmutzungen des Badezimmers gleich behoben werden. Rechtlich gesehen ist der Reiseleiter nicht zu einer Unterschrift unter die Mängelliste verpflichtet, zumindest muss dieser aber die eingegangene Reklamation schriftlich bestätigen - dafür reicht ein Vermerk »Zur Kenntnis genommen«.
Die Mängel sollten allgemein so beschrieben werden, dass eine Abweichung von der Reiseleistung klar erkennbar ist. Man muss also konkret darlegen, warum die Reise oder eine bestimmte Sache mangelhaft war. Unpräzise Angaben wie »häufig« oder »schlecht« helfen da wenig. Die Reiserechtsexpertin nennt Beispiele: »Es reicht nicht aus, wenn Sie sagen, dass das Essen ungenießbar war, sondern Sie müssen die Gründe dafür nennen, z.B. verdorbenes Fleisch oder ein absolut eintöniger Speisezettel – wie etwa das 'Menü für Kinder', welches drei Wochen nur aus Pommes mit Ketchup bestand.« Neben dem Essen sind Lärmbelästigung, die ungenügende Reinigung der Unterkunft und Ungeziefer häufige Probleme. »Dabei muss man sehr genau aufpassen, ob tatsächlich schon ein Reisemangel vorliegt oder dieses noch als bloße Unannehmlichkeit angesehen wird«, gibt Beate Wagner zu Bedenken.
Fotos und Zeugen zur Beweissicherung
Falls die Reklamation erfolglos bleibt, müssen Beweise gesichert werden. Fotos oder Videoaufnahmen der festgestellten Mängel sind zu empfehlen. Wer keine Kamera mit dabei hat, fragt eben einen Mitreisenden, ob er sich dessen Equipment ausleihen kann. Auch die Hotelprospekte sollten zwecks späteren Vergleichs noch nicht in den Mülleimer wandern. Ein ganz wichtiger Punkt sind Zeugen, deren Namen und Adressen auf jeden Fall notiert werden müssen. Kleiner Tipp: Lieber fremde Mitreisende anstelle von Verwandten um Hilfe bitten. Erstere sind bei einem eventuellen Rechtsstreit glaubwürdiger.
Geht der Veranstalter auf die Beschwerde ein, sollte man darauf achten, dass eine angemessene Entschädigung erfolgt. Eine zumutbare Lösung ist zum Beispiel ein Umzug innerhalb eines Hotels oder auch in ein andere Unterkunft, solange der Veranstalter seiner Pflicht zu einer gleichen oder höherwertigen Ersatzleistung nachkommt. »Damit wäre zwar dem Mangel abgeholfen«, so Beate Wagner, »wenn man aber z.B. in einem feuchten Zimmer noch Zeit bis zum Umzug verbringt, kann man einen bestimmten Minderungssatz für diesen Zeitraum in Anschlag bringen. Zusätzlich gilt der Umzug selber auch noch als Mangel und man kann auch noch diesen anteilig vom Reisepreis abziehen.«
Verzichtserklärung
Wird die Unterkunft dann akzeptiert, kann für die dort verbrachten Tage später kein Geld zurückgefordert werden. Einigen Sie sich mit dem Veranstalter und unterschreiben Sie eine Verzichtserklärung, verfallen sogar alle späteren Rechtsansprüche. Beate Wagner warnt vor einer solchen Unterzeichung: »Solche Verzichtserklärungen würde ich niemals unterschreiben. Eventuelle Gutscheine für ein Essen oder Leihwagen sollten immer unter dem Vorbehalt angenommen werden, dass man nicht gleichzeitig auf alle anderen Ansprüche verzichtet. Es sei denn, man hält dies wirklich für eine geeignete Kompensation. Oft ist es ja so, dass man sich einigen Ärger und Aufwand erspart.«
Recht auf Selbsthilfe
Bei groben Mängeln, die trotz vorhergehender Beschwerde nicht behoben werden, hat der Urlauber das Recht auf Selbsthilfe, d.h. die Suche nach einem vergleichbaren Ersatzquartier oder den vorzeitigen Reiseabbruch. Leider herrscht bei den Gerichten Uneinigkeit darüber, was als »grober Mangel« zu werten ist.
Einspruchsfrist beachten
Nach der Rückkehr hat man einen Monat Zeit, seine Ansprüche - auch für die Kosten eines Reiseabbruchs - schriftlich beim Reiseveranstalter geltend zu machen. »Man muss beweisen, dass man diese Frist eingehalten hat und deswegen sollte ein solches Schreiben an den Veranstalter nur per Einschreiben mit Rückschein erfolgen«, rät die Expertin. Eine Reisepreisminderung kann nur für den Zeitraum erfolgen, in dem die Mängel vorhanden waren. Angeführt werden muss nun eine genaue Mängelbeschreibung, inklusive Beweisen, eine Frist zur Zahlung und die Unterlagen über die Mängelbeanstandung vor Ort. Außerdem muss ganz klar aus dem Schreiben hervorgehen, dass man eine Rückzahlung verlangt. Allerdings braucht man sich nicht auf eine bestimmte Höhe festzulegen.
Frankfurter Tabelle
Aber wie viel Geld kann man denn nun vom Veranstalter wegen dessen mangelhafter Leistungserbringung zurückfordern? Die Frankfurter Tabelle ist eine vom Landgericht Frankfurt zusammengestellte Liste und dient als Orientierungshilfe zur Ermittlung des Prozentsatzes, den Sie gegebenenfalls vom Veranstalter zurückverlangen können. Diese Tabelle ist aber nur ein erster Anhaltspunkt, erklärt die Verbraucherschützerin: »Es ist nicht etwas, an das sich Gerichte sklavisch klammern und immer beachten. Das sieht man auch an den relativ großen Spannen – für Ungeziefer liegt der Minderungssatz zwischen 10 und 50 Prozent. Letztlich entscheidet der Einzelfall.« Bis zu 25 % vom ursprünglichen Reisepreis gibt es zum Beispiel, wenn man gar nicht im gebuchten Hotel gelandet ist. Sogar bis zu 40 % kann einem bei nächtlichem Lärm erstattet werden.
Die Rückerstattung sollte in bar und nicht per Gutschein erfolgen. Beate Wagner dazu: »Allerdings sind aus meiner Erfahrung bei den Fällen, wo Gutscheine angeboten wurde, die Sätze regelmäßig etwas höher als die Sätze zu denen der Veranstalter verpflichtet gewesen wäre. Wenn man den Gutschein annimmt, hat man also etwas mehr bekommen, als wenn man seinen Anspruch auf Bargeld durchgesetzt hätte. Da muss jeder selbst entscheiden, ob er mit dem Veranstalter erneut fahren will.«
Ein Jahr Gewährleistungsfrist
Erfolgt auf die ersten Forderungen keine Antwort, muss der Richter entscheiden. Mit der Modernisierung des Schuldrechts zu Jahresbeginn ist die Gewährleistungsfrist, die beim Kauf- als auch beim Reisevertragsrecht gilt, von sechs Monaten auf zwei Jahre angehoben worden. Für den Veranstalter besteht die Möglichkeit, diese zwei Jahres-Frist in seinen Reisebedingungen zu halbieren. Da man davon ausgehen kann, dass die Veranstalter von der Möglichkeit einer Fristverkürzung Gebrauch machen, hat man bei Scheitern einer einvernehmlichen Lösung ein Jahr Zeit, um Klage zu erheben. Bei schwerwiegenden Mängeln kann man auch Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit geltend machen.
Vermeintliche Reisemängel
Nörgel-Freaks haben jedoch schlechte Karten, denn nicht jede Beschwerde führt zum Erfolg. Bei Pauschalreisen sind die Katalog-Beschreibungen und die AGBs maßgeblich für Reklamationen. Auf vermeintliche Reisemängel wird nämlich oft schon in den Broschüren hingewiesen und viele Klagen werden dem entsprechend als Lappalien zurückgewiesen. Gerade in Mittelmeerländern ist das lauwarme Essen im Hotelrestaurant oft mit dem Zusatz »landestypische Gegebenheiten« schon im Katalog abgegolten. Eventuelle mündliche Zusagen des Veranstalters oder des Reisebüros lässt man sich am besten schriftlich geben.
Prospektsprache
Der Reiseveranstalter ist in seinen Katalog auf der einen Seite zur Wahrheit verpflichtet, auf der anderen Seite ist er natürlich daran interessiert, sein Angebot so verlockend wie möglich darzustellen. Darauf beruht die Prospektsprache, bei der man zwischen den Zeilen lesen muss. Beate Wagner meint, dass man solche Feinheiten einfach kennen muss. »'Meerseite' heißt nicht, dass man das Meer vom Zimmer auch sehen kann, sonst hieße es 'Meerblick'. 'Beheizbarer' Swimmingpool heißt eben nicht, dass man da warmes Wasser erwarten kann. Wenn das Wasser warm wäre, würde dort 'beheizter' Swimmingpool stehen. Ein Hotel in zentraler Lage wird mit ziemlicher Sicherheit an einer Hauptverkehrsstraße liegen. Und ein Hotel mit 'internationaler Atmosphäre' dürfte von Leuten bevölkert sein, die auch international zu feiern verstehen.« Wer sich bei bestimmten Formulierungen unsicher fühlt, kann sich an die Verbraucherstellen wenden.
Gestärkte Verbraucherrechte und Rechtsschutzversicherungen geben dem Beschreibungsschwindel kaum noch eine Chance. So sorgen immer häufiger nicht die Gegebenheiten am Urlaubsort, sondern die Unzulänglichkeiten während der An- und Abreise für Verdruss. »Bei Charterflügen in Zusammenhang mit Pauschalreisen ist es eben so, dass Kapazitäten voll ausgeschöpft werden. Dazu werden Flüge zusammengelegt oder gestrichen. Dadurch wird die Ausnutzung optimiert, aber es kommt auch öfter zu Verspätungen oder Verlegungen von Flügen. Manchmal werden sogar Flughäfen ausgetauscht«, weiß Wagner. Bei Verspätungen unter vier Stunden braucht sich allerdings keiner zu beschweren – die gelten als zumutbar.
Sicherungsschein
Wenn allerdings der Reiseveranstalter pleite geht, ist das Worst-Case-Szenario bereits eingetreten und es ist eigentlich zu spät, um noch etwas zu unternehmen. Ganz wichtig ist für Beate Wagner, dass »man auf gar keinen Fall irgendeinen Zahlung an den Veranstalter leisten sollte, ohne einen Sicherungsschein in den Händen zu halten.« Er ist ein Nachweis, dass der Veranstalter eine Insolvenzversicherung abgeschlossen hat. Diese Versicherung übernimmt dann das Risiko, wenn der Veranstalter vor oder nach Reiseantritt insolvent wird. Mit anderen Worten: Der Urlauber kommt sicher wieder heim und muss nicht auch noch den Rückflug aus eigener Tasche zahlen.
Zusätzliche Informationen bietet der Ratgeber »Recht auf Reisen«, vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.