Die Europäische Zentralbank (EZB) korrigiert ihre Entscheidung, keine Staatsanleihen von extrem überschuldeten Krisenländern mehr zu kaufen. Inmitten großer Sorgen über die Finanzlage Spaniens und Italiens weckte EZB-Präsident Mario Draghi Erwartungen auf ein Eingreifen der Bank. "Die EZB ist bereit, alles Notwendige zum Erhalt des Euro zu tun", sagte er am Donnerstag in London. Seit Monaten wird der Italiener aufgefordert, die "Bazooka" herauszuholen. Gemeint ist damit, dass die Zentralbank quasi unbegrenzt Anleihen der Krisenstaaten aufkauft, um Zinsen zu drücken und so das europäische Finanzdesaster in den Griff zu bekommen. Draghi lehnte dies bisher ab. Auch wenn er keine konkreten Angaben machte, geht seine Äußerung genau in diese Richtung.
Europas Börsen deuteten es jedenfalls so. Nach den Äußerungen stiegen die Aktienkurse, der Euro gewann an Wert und die Risikoaufschläge für spanische Staatsanleihen mit langen Laufzeiten sanken unter den Alarmwert von sieben Prozent.
Mit einer weiteren Ankündigung machte Draghi klar, dass die EZB entschlossen ist, die Krise in den Griff zu bekommen. "Glauben Sie mir, das wird ausreichend sein", sagte der Italiener zum möglichen Ausmaß der Anleihekäufe. Es gehöre zum Mandat der EZB, die Risikoaufschläge für Staatsanleihen "unter Kontrolle zu halten". Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici begrüßte die Aussagen als "durchweg positiv".
"EZB kauft Spanien und Italien Zeit"
Zur Stabilisierung der Lage erwarben die Zentralbanker mehrfach Staatsanleihen schlingernder Euroländer wie Spanien , um deren Zinslast zu mindern. Der EZB sind direkte Überweisungen nach ihren Statuten verboten. Sie half den Ländern bis Jahresanfang indirekt, indem sie Anleihen im Wert von mehr als 200 Milliarden Euro am Markt erwarb und so die Kreditkosten der Krisenländer drückte. Seit vielen Wochen ruht das Kaufprogramm.
"Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen, dass die EZB ihr Zögern und damit die Marktpanik beendet", sagte Ökonom Christian Schulz von der privaten Berenberg Bank zu Draghis Korrektur. Auf diese Weise "kauft sie Krisenländern wie Spanien und Italien die Zeit, die sie für die Umsetzung ihrer Reformen brauchen". Das sehen andere Experten ähnlich. "Das ist wohl der Versuch, die Beschränkungen für den direkten Kauf von Staatsanleihen zu umgehen", sagte Analyst Marc Ostwald von Monument Securities.
Da die Zinsen von Italien und Spanien zwischenzeitlich auf Rekordhöhen gestiegen sind, wuchs der Druck auf die EZB, wieder am Anleihemarkt aktiv zu werden. Draghi dürfte bei einer Wiederaufnahme auf Widerstand aus Deutschland und anderen Eurokernländern stoßen. Nach den Worten des Chefs der niederländischen Zentralbank, Klaas Knot, befindet sich das Kaufprogramm "im Tiefschlaf und wird es auch bleiben".
Die Risikoaufschläge für zehnjährige spanische Staatsanleihen sanken nach den Äußerungen Draghis erstmals seit dem 19. Juli wieder unter den bedrohlichen Schwellenwert von sieben Prozent - nachdem sie noch am Mittwoch das höchste Niveau seit Gründung der Eurozone erreicht hatten. Ab einer Marke von sieben Prozent gilt die Zinslast als dauerhaft nicht tragbar.
Zwar hatte die Eurogruppe erst vor knapp einer Woche ein Hilfsprogramm in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro für die angeschlagenen spanischen Banken endgültig beschlossen. Trotzdem war das als möglicher Kandidat für eine Flucht unter den Euro-Rettungsschirm geltende Land unter Druck geraten.
Die Börse in Mailand stieg um knapp fünf Prozent
In der Eurozone wird deshalb einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge erwogen, über den Euro-Rettungsfonds EFSF spanische Staatsanleihen aufzukaufen, um die Zinsen zu drücken. "Falls Madrid einen Antrag stellt, sind wir bereit zu handeln", sagte ein EU-Diplomat dem Blatt. An den europäischen Börsen stiegen die Aktienkurse nach den Äußerungen Draghis deutlich an, in Mailand und Madrid sogar um rund 4,5 und 4,9 Prozent. Besonders Bankaktien gewannen an Wert. Der deutsche Dax-Index verzeichnete rund zwei Stunden vor Handelsschluss ein Plus von rund 1,9 Prozent. Auch der Euro-Kurs stieg auf 1,2294 Dollar im Gegensatz zu 1,2153 Dollar am Vorabend.