SOZIALES Schuften für einen Hungerlohn

Firmen für Sportprodukte erhalten die rote Karte: Die »Kampagne für saubere Kleidung« verlangt menschenwürdige Produktionsmethoden in den Entwicklungsländern.

Yetti ist 21 und schuftet rund 80 Stunden pro Woche in einem Sportartikel-Zulieferbetrieb in Indonesien als Näherin - dafür bekommt sie einen Hungerlohn. Schlimmer noch ist die Arbeit für ihre Kolleginnen, die ihre Kinder wegen extremer Armut und Arbeitsbelastung in den Heimatdörfern zurücklassen mussten. Gloria beklagt, dass die Arbeitsplätze und sogar die Toiletten von Kameras überwacht werden. Solche Beispiele hat die »Kampagne für saubere Kleidung« (CCC), ein Bündnis aus kirchlichen und gewerkschaftlichen Gruppen, dokumentiert.

Soziales Forum

Die CCC macht sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen bei Zulieferern in Entwicklungs- und Schwellenländern stark. Unter dem Motto »Fit for Fair« will das Bündnis bei einem internationalen Kongress am 3. und 4. Mai in Köln das Verhalten der Sportartikel-Hersteller auf den Prüfstand stellen. Erstmals kommen hier Manager von Sportartikelherstellern, betroffene Arbeiter, Sportler und Politiker an einem Tisch zusammen.

Entwürdigender Arbeitsalltag

Erzwungene Überstunden, Löhne, die kaum das Existenzminimum abdecken, kontrollierte Toilettengänge, obligatorische Schwangerschaftstests und sexuelle Übergriffe prangert das Bündnis an. »Sie sind im Arbeitsalltag Tausender von Näherinnen noch immer an der Tagesordnung«, heißt es. Große Hersteller wie Puma, adidas, Reebok und Nike profitierten davon.

Vieles gilt nur auf dem Papier

»Es hat zwar in den vergangenen Jahren schon einige Verbesserungen gegeben«, meint Mit-Organisatorin Ingeborg Wick. So hätten fast alle großen Hersteller soziale Mindeststandards beschlossen, die auch für die Zulieferer gelten sollten. Doch diese Regeln seien häufig nur »Papiertiger«. »Es fehlt vor allem eine unabhängige Kontrolle.«

Länderrecht steht über Firmenreichtlinie

»Die ganze Thematik liegt uns sehr am Herzen«, sagt der Leiter Umwelt und Soziales bei Puma (Herzogenaurach), Reiner Hengstmann. In den mehr als 50 Ländern, in denen Puma produzieren lässt, hängt jeweils in der Landessprache der strikte Puma-Verhaltenskodex aus. Er garantiert die Bezahlung von Überstunden, eine Beschränkung der Arbeitszeit auf 60 Stunden und das Recht auf gewerkschaftliche Organisation. »Aber natürlich können wir uns nicht gegen nationales Recht durchsetzen«, betont er mit Blick auf ein eingeschränktes Versammlungsrecht etwa in China.

Externe Prüfer als Lösung?

Die Forderung nach externer Überwachung der Firmen-Regeln versteht er nicht. Neun Mitarbeiter arbeiten nach seinen Angaben in einer eigens dafür eingerichteten Abteilung und überwachen die Einhaltung der Bestimmungen. Während Puma-Vertreter jederzeit in den Zulieferbetrieben erschienen könnten, »wären Externe vom Wohlwollen der Fabrikbesitzer abhängig.«

»Hohe Standards«

Auch Nike beteuert, seine Mitarbeiter fair zu behandeln. »Nike würde nicht bei einer Fabrik produzieren lassen, in der Kameras in Toiletten installiert sind.« Wenn bei einer Kontrolle durch eigene Mitarbeiter oder externe Kräfte festgestellt wird, dass die »hohen Standards« nicht eingehalten werden, würde Nike die Zusammenarbeit kündigen.

Prominente Unterstützung

Gegen die Ausbeutung der Arbeiter und die Durchsetzung ihrer Rechte hat das Bündnis prominente Unterstützer gewonnen. So werben die Hochsprung-Olympiasiegerin Heike Henkel oder Manfred von Richthofen als Präsident des Deutschen Sportbundes für die Anliegen der Arbeiter. Schalke-04-Manager Rudi Assauer meint: »?Fit for Fair? sollte nicht nur auf dem Spielfeld gelten, sondern auch für die Arbeitsbedingungen, unter denen Sportbekleidung hergestellt wird.«

Yuriko Wahl