TELEKOMMUNIKATION EU eröffnet Kartellverfahren gegen die Telekom

Wegen vermutlicher Ausnutzung ihrer »marktbeherrschenden Stellung« bei den Ortsnetzen reagierte jetzt die EU-Kommission. Telekom-Chef Sommer gerät unter Druck.

Es ist schon fast ein Ritual. Immer wenn die Telekom-Aktie abstürzt und neue Tiefstände erreicht, werden die Rufe nach seiner Ablösung lauter: Ron Sommer muss weg, fordern Kleinaktionäre und Politiker werden mit dem Telekom-Chef zunehmend ungeduldiger. Binnen zwei Jahren wurden durch den Kurssturz fast 300 Milliarden Euro vernichtet. Erstmals seit ihrem Börsengang kürzt die Telekom wegen hoher Verluste die Dividende.

Rüge aus Brüssel

Und die Pechsträhne reißt nicht ab: Am Mittwoch eröffnete die EU-Kommission ein Kartellverfahren gegen die Telekom wegen mutmaßlicher Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung. Hintergrund ist der erschwerte Zugang zum Telefon-Ortsnetz für die Konkurrenz. Das Unternehmen verlange von den Wettbewerbern höhere Gebühren auf der Vorleistungsstufe als von ihren eigenen Endkunden, rügen die Brüsseler Wettbewerbshüter.

Sommer steht wieder in der Kritik

Durch das Vorgehen Brüssels gerät Vorstandschef Sommer weiter unter Druck. Ohnehin wird der Manager in diesen Tagen einmal mehr für den Schlamassel einer gesamten Branche verantwortlich gemacht. Der Zeitpunkt ist günstig. Ende Mai hält die Telekom ihre jährlich Hauptversammlung ab. Und Sommer steht wieder im Fadenkreuz der Kritik. Sowohl die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) wie auch die Schutzgemeinschaft für Kleinaktionär (SdK) kündigten bereits an, den Vorstand nicht zu entlasten.

Rücktrittsgerüchte werden dementiertNeuer Mann als Imagegewinn?

Wer den Job an der Spitze der Telekom übernehmen könnte, darauf wissen auch Experten keine Antwort. »Was sollte ein neuer Vorstandschef denn anders machen?« fragt Hans Huff, Telekom-Analyst der Berliner Bankgesellschaft. Ein neues Aushängeschild könnte aber ein Imagegewinn sein, heißt es bei der DSW.

Viele Vorwürfe

Gerade die gescheiterte internationale Expansion hatten Börsianer und Aktionärsschützer Sommer lange Zeit vorgehalten. Der kostspielige Ausbau des Konzerns zum Global Player, der Erwerb von sündhaft teuren UMTS-Mobilfunklizenzen, vor allem in Deutschland, hat die T-Aktie zum Absturz gebracht, sagen sie. Hinzu komme die enorme Verschuldung des Unternehmens.

Gesamte Branche leidet

Tatsächlich ist die Entwicklung der T-Aktie für Sommer zu einem Albtraum geworden. So fiel die einst beliebte Volksaktie in dieser Woche auf ein Allzeittief von 12,38 Euro. Aber die Telekom steht nicht alleine da. Alle Konkurrenten haben Federn lassen müssen - die britische Vodafone ebenso wie die hochverschuldete France Télécom, die niederländische KPN oder die spanische Telefónica.

»Liebesentzug durch die Finanzmärkte«

Oliver Pfluger von der WGZ-Bank nennt das Sippenhaft und Sommer »Liebesentzug durch die Finanzmärkte«. Schlechte Zahlen bei einem Unternehmen schlagen gleich auf die Aktienbewertung der anderen durch, besonders dann, wenn es um die Ertragsaussichten im künftigen UMTS-Mobilfunkgeschäft geht.

Anhebung der Bezüge war unklug

Angesichts der Malaise in der Branche hat sich die Telekom mit der Anhebung der Vorstandsbezüge um 90 Prozent auf 17,4 Millionen Euro einen Bärendienst erwiesen. Die Kleinaktionäre sind frustriert und Zoff auf der Hauptversammlung ist programmiert. Doch auch das gehört zu den Ritualen, wenn es am Ende des Aktionärstreffen wieder heißt: »Herr Sommer, ein Autogramm, bitte«.

Peter Lessmann