Die Tokioter Börse hat am Mittwoch 20 Minuten früher geschlossen, weil durch eine Welle von Massenverkäufen die Kapazität des Computersystems erschöpft war. Zahllose Anleger stießen ihre Papiere ab, da sie fürchteten, in den Strudel eines Börsenskandals um die Internetfirma Livedoor Co. gezogen zu werden. Gegen das Unternehmen ermitteln Staatsanwaltschaft und Börsenaufsicht wegen des Verdachts, die Anleger mit falschen Angaben getäuscht zu haben.
Demnach soll Livedoor illegalerweise einen Gewinn für die Mutter im Geschäftsjahr 2004 von 1,4 Milliarden Yen (10 Mio Euro) ausgewiesen haben, obwohl die Firma tatsächlich mit einer Milliarde Yen in den roten Zahlen gesteckt habe. Livedoor habe angeblich 2,4 Milliarden Yen an Gewinnen von mehreren angeschlossenen Unternehmen in die eigene Bilanz übertragen, um die Verluste zu vertuschen. Am Mittwoch berichteten Medien, dass die Ermittler nicht nur dem Verdacht der Bilanzfälschung nachgehen, sondern auch dem der Kursmanipulation.
Kapitalvernichtung von 250 Milliarden Euro
Der 225 Werte umfassende Nikkei-Index verlor zeitweise mehr als vier Prozent und schloss 2,94 Prozent niedriger bei 15.341 Zählern - der größte Tagesverlust des Nikkei seit dem 18. April 2005. Der breiter gefasste Topix-Index gab um 3,49 Prozent 1575 Zähler nach. Innerhalb der vergangenen drei Tage erlebte die Tokioter Börse damit eine Kapitalvernichtung von gut 250 Milliarden Euro, was etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Schweden entspricht.
Der Engpass im Computersystem der Börse hat den Abgabedruck nach dem Livedoor-Skandal noch verstärkt. "Das kommt eindeutig von den Risiken des Systems der Tokioter Börse", sagte Tsuyoshi Nomaguchi von Daiwa Securities. So etwas habe es noch nicht gegeben. "Investoren, die im Vertrauen auf das System der Börse gehandelt haben, verlassen den Markt fluchtartig, und der Verkaufsdruck wird daher den Tag über anhalten", sagte er noch während des Handels. Das gelte auch für die kommenden Tage, bis die Ermittlungen zu Livedoor abgeschlossen seien. "Ich glaube aber, danach wird sich der Markt wieder erholen", sagte Nomaguchi.
Börse selbst für Orderstau verantwortlich
Für das Image der Tokioter Börse, die ihre Aktien selbst in den Handel bringen will, ist das Kapazitätsproblem ein ernster Rückschlag, denn es hat zu dem Orderstau selbst beigetragen. Die Ankündigung, dass das Computersystem am Limit ist und der Handel früher eingestellt wird, hatte zu einer weiteren Verkaufswelle geführt. "Jeder hat da seine Verkaufsaufträge eingeworfen. Das System war damit zu und nichts kam mehr durch", sagte Ken Masuda, ein Händler von Shinko Securities. "Selbst nach fünf Minuten waren die Transaktionen noch nicht abgewickelt. Es ist lächerlich." Für die kommenden Tage erwägt die weltweit zweitgrößte Börse nun eine Verkürzung der Handelszeit.
Auch alle anderen asiatischen Börsen lagen am Mittwoch im Minus. In Hongkong fiel der Hang-Seng-Index im Handelsverlauf 0,72 Prozent auf 15.465 Zähler. Der Seouler Kospi-Index schloss 2,64 Prozent im Minus bei 1353 Punkten. Mit dem Kurssturz bei den Aktien kam auch die japanische Währung unter Druck. Der Dollar stieg auf 115,90 Yen nach 115,41 Yen im späten New Yorker Handel. Die europäische Währung notierte mit 1,2083 Dollar nach 1,2105 Dollar in New York.