Das Wort rauskicken erhält im Zusammenhang mit dem Textildiscounter Kik einen ganz eigenen Zungenschlag. So hat das Unternehmen über mehrere Jahre systematisch die persönlichen Vermögensverhältnisse seiner Mitarbeiter ausspioniert - offenbar, um "Problemfälle" loszuwerden, wie "Panorama" am Donnerstag berichtet. Ziel sei es gewesen, sich von Beschäftigten mit massiven finanziellen Schwierigkeiten zu trennen, erläuterte ein langjähriger Kik-Bezirksleiter dem ARD-Magazin.
Guido Hagelstede, der für bis zu 15 Filialen und mehr als 100 Mitarbeiter verantwortlich gewesen sei, schilderte demnach, dass sich Kik von jedem Mitarbeiter trennte, der eine "eidesstattliche Versicherung" oder eine "Haftandrohung" hatte. Meistens habe er als Bezirksleiter den Betroffenen während der Probezeit kündigen müssen oder befristete Arbeitsverhältnisse auslaufen lassen. Problematisch sei es gewesen, Mitarbeitern zu kündigen, die bereits im Kündigungsschutz waren. "Es war immer so, dass man sich dann irgendetwas aus den Fingern saugen musste", zitiert "Panorama" den ehemaligen Bezirksleiter.
Druck auf Führungskräften
Die Schnüffelei hat bei Kik offenbar eine lange Tradition. Dem ARD-Magazin liegt nach eigenen Angaben ein internes Schreiben des für Personal zuständigen Kik-Geschäftsführers Heinz Speet aus dem Jahr 1998 vor. Darin teile Speet "streng vertraulich" mit, Kik hole "über alle neu eingestellten Aushilfsbeschäftigten eine telefonische Auskunft bei der Creditreform ein". Hagelstede sei in dieser schriftlichen Anweisung darauf hingewiesen worden, dass in seinem Bereich einige Aushilfen "einschlägig bekannt" und deshalb "unverzüglich abzubauen" seien, hieß es.
Habe man als Bezirksleiter die Anordnung nicht befolgt, sei man darauf hingewiesen worden, dass man für mögliches Fehlverhalten der betreffenden Mitarbeiter haften müsse, wird Hagelstede zitiert. "Man kann nicht für hundert Menschen selbst bürgen. Damit habe ich dann eben diese Kündigungen aussprechen müssen."
Kik will Ausspähverfahren eingestellt haben
Dem Bericht nach erklärte Kik in einer schriftlichen Stellungnahme: "Das von Ihnen angeführte Verfahren wird bei Kik nicht mehr praktiziert." Seit Oktober 2009 arbeite man "nicht mehr mit der Creditreform und auch mit keiner anderen Wirtschaftsauskunftei" zusammen.
Den Angaben zufolge hatte die Staatsanwaltschaft Dortmund im vergangenen Jahr bereits wegen vergleichbarer Vorwürfe vergeblich gegen Kik ermittelt. Obwohl der Discounter allein in den Jahren 2008 und 2009 in mehr als 49.000 Fällen die Vermögensverhältnisse seiner Mitarbeiter bei Creditreform abgefragt habe, habe die Staatsanwaltschaft damals aber nicht nachweisen können, dass dies mit der Absicht geschehen sei, den Betroffenen systematisch zu schaden. "Wir hätten beweisen müssen, dass Kik systematisch die Mitarbeiter aussiebt, die eine schlechte Creditreform-Auskunft haben, und das war nicht beweisbar", zitiert "Panorama" die Dortmunder Oberstaatsanwältin Ina Holznagel. Nach Angaben des Senders prüft die Staatsanwaltschaft Dortmund deshalb nun neue Ermittlungen gegen den Textildiscounter.
Der Chef des Kik-Mutterkonzerns Tengelmann, Karl-Ervian Haub, kündigte angesichts der anhaltenden Flut von Vorwürfen gegen Kik für die Zukunft aber eine offenere Kommunikationspolitik an. "Wir hätten früher auf diese Themen reagieren und uns stellen müssen", sagte der Unternehmer dem Wirtschaftsmagazin "Capital". "Das werden wir in Zukunft mit Sicherheit tun." Kik war in der Vergangenheit wiederholt wegen der Niedriglöhne in seinen deutschen Filialen und den Produktionsbedingungen seiner asiatischen Lieferanten kritisiert worden.