Schnell, einfach und frei - was will man mehr von einem Bezahl- und Überweisungssystem? Nicht mehr und nicht weniger versprach "Liberty Reserve" ihren Kunden auf der mittlerweile vom Netz genommen Website (hier eine Archiv-Ansicht). Das Unternehmen erfüllte das Versprechen. Und zwar so sehr, dass binnen weniger Jahre eine Million Kunden 55 Millionen Transaktionen im Wert von mindestens sechs Milliarden Dollar (4,7 Milliarden Euro) abgewickelt haben. Darunter schnöde Überweisungen unbescholtener Normalos, aber vor allem: Illegales Geld wurde im ganz großen Stil gewaschen.
Die New Yorker Staatsanwaltschaft hat die Überweisungsbank vergangenen Freitag dicht gemacht und den Firmengründer sowie vier weitere Personen in Spanien, Costa Rica und New York festnehmen lassen. Die Behörden von 17 Ländern waren an dem Schlag gegen die "Bank der Wahl für die Unterwelt" beteiligt, wie die New Yorker Anklägerin Preet Bharara, Liberty Reserve nennt. Die Anschuldigungen lauten Kreditkarten- und Anlagebetrug, Identitätsklau, Computereinbrüche, Kinderpornografie und Drogenhandel. Dies sei der "größte internationale Fall von Geldwäsche, in dem jemals in den USA ermittelt wurde".
Anonym und einfach Geld hin- und hertransferieren
Gegründet wurde der Dienst 2007 in Costa Rica, unter anderem von dem nun verhafteten Arthur B. Grundsätzlich ist sein Bezahl- und Überweisungssystem über eine digitale Währung nicht verwerflich. Vor allem aber war es äußerst simpel konstruiert. Kunden eröffneten ein Konto, tauschten über Drittanbieter wie Swiftexchanger oder AsianaGold, die vermutlich zur Liberty Reserve gehörten, echtes Geld in die digitale Währung namens "LR". Das konnte innerhalb des Systems beliebig hin- und herüberwiesen werden. Am Ende ließ es sich in jede gewünschte Echtwährung zurücktauschen. Der Clou dabei: Die Absender können absolut anonym bleiben. Ermittler hatten bei Tests Nutzernamen wie "Russland-Hacker", Adressen wie "Gefälschte Hauptstraße" in "erfundene Stadt" und als Verwendungszweck "Kokain" benutzt.
So frei und einfach haben es Gangster natürlich gerne, weswegen die US-Staatsanwaltschaft davon spricht, dass die gesamte Existenz von Liberty Reserve auf einem kriminellen Geschäftsmodell fuße. Obwohl der Dienst eine costa-ricanische Banklizenz besaß, unterlag er keiner der sonst üblichen Kontrollen durch die Finanzaufsichtsbehörden. Deshalb war es dort möglich, anonym und nicht nachverfolgbar Gelder über den Globus zu verschieben. Provision für Liberty Reserve: ein Prozent pro Transaktion, plus 75 Cent "Privatsphären-Gebühr".
Boom der digitalen Währungen
US-Finanzaufsehern ist der Markt mit virtuellen Währungen schon länger ein Dorn im Auge, vor allem deswegen, weil er ohne staatliche Kontrolle auskommt. Deshalb vermutet der renommierte Blogger und Sicherheitsspezialist Brian Krebs, dass hinter dem Schlag gegen Liberty Reserve mehr stecken könnte. So wollten die Fahnder seiner Meinung nach nicht nur die Geldwäsche eindämmen, sondern auch den Druck auf digitale Währungen an sich erhöhen.
Vor allem der Boom der Bitcoins, einem weiteren Online-Bezahlmittel, sorgte während der Zypernkrise für Schlagzeilen: Wurden die Hacker-Münzen Anfang des Jahres für etwa zehn Euro pro Stück gehandelt, peitschten Spekulanten die Netzwährung Anfang April auf mehr als 200 Dollar. Im Gegensatz zu Liberty Reserve wird das Netzgeld aber in einem komplizierten und rechenaufwendigen Prozess erstellt, zudem ist das Bitcoin-Volumen stark eingeschränkt, was die Währung unattraktiv für Geldwäsche im großen Stil macht.
Ebenfalls beliebt bei Kriminellen ist uKash: Das bargeldlose Zahlungsmittel besteht lediglich aus einer 19-stelligen Pin und kann in Deutschland an Bahnhofskiosks und Tankstellen problemlos gekauft werden. Dadurch ist es möglich, anonym Bargeld über das Internet ins Ausland zu versenden.