Nach der Rücktrittsankündigung von Weltbank-Präsident Paul Wolfowitz ist die Diskussion um seine Nachfolge voll entbrannt. Dabei werden Medienberichten zufolge Rufe lauter, die ein Ende des traditionellen Vorrechts der USA auf die Auswahl des Weltbankchefs fordern. Ein entsprechender Brief mit 200 Unterschriften, darunter auch die von Leitern von Entwicklungshilfeorganisationen, sei an die Direktorien von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) geschickt worden, meldete die Zeitung "Washington Post". Die Leitung des IWF, der Schwesterorganisation der Weltbank, übernimmt stets ein Europäer.
Transparenz und Kompetenz
In dem Schreiben verlangen die Unterzeichner, das bisherige Verfahren "aufzugeben und durch einen Auswahlmodus zu ersetzen, der zwei Kernprinzipien beinhaltet: Transparenz des Prozesses und Kompetenz der künftigen Führung ohne Rücksicht auf die Nationalität." Wolfowitz' Probleme in der Weltbank rührten zum Teil von der weit verbreiteten Wahrnehmung her, dass er "unverhältnismäßig US-Interessen vertritt".
Die US-Regierung hatte jedoch bereits angekündigt, rasch einen Kandidaten für die Wolfowitz-Nachfolge benennen zu wollen. Als mögliche Nachfolger werden unter anderem der ehemalige US-Vizeaußenminister Robert Zoellick, der derzeitige stellvertretende Finanzminister Robert Kimmitt und der einstige republikanische Mehrheitsführer im Senat, Bill Frist, gehandelt. Nach vereinzelten Berichten soll auch der scheidende britische Regierungschef Tony Blair im Gespräch sein, was aber in Washingtoner Kreisen als eher unwahrscheinlich bezeichnet wurde.
Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) sieht Europa nach der Rücktrittsankündigung von Wolfowitz derweil in einer stärkeren Position bei dem Finanzinstitut. Die Europäer seien in dem Fall geschlossen vorgegangen, sagte Wieczorek-Zeul der "Frankfurter Rundschau". Bei der Suche nach einem Nachfolger dringt die SPD-Politikerin auf Reformen. "Die Weltbank ist durch die jüngsten Vorkommnisse definitiv geschwächt. Wir brauchen nun bei der Bestellung des nächsten Präsidenten einen offenen Konsultationsprozess zwischen Geberländern und Entwicklungsländern, um neues Vertrauen zu schaffen." Es spreche dann auch nichts gegen einen US-Kandidaten, sagte sie.
Wolfowitz will Tagesgeschäft ruhen lassen
Wolfowitz teilte dem Exekutivrat der Weltbank mit, bis zu seinem Rücktritt am 30. Juni das Tagesgeschäft ruhen zu lassen. Er plane Abschiedsbesuche bei verschiedenen politischen Führern Afrikas.
Der Weltbank-Chef, 63, hatte in einem Kompromiss mit dem Exekutivrat der Organisation nach wochenlanger heftiger Kontroverse um die Beförderung seiner Lebensgefährtin seinen Rücktritt angekündigt. Im Gegenzug bescheinigte ihm das Führungsgremium, dass er nicht unethisch gehandelt habe.