Gesundheitsreform Zankapfel Praxisgebühr

Den Ärzten ist die geplante Praxisgebühr ein Dorn im Auge. Sie rufen zum Boykott des Gesetzes auf und präsentieren Alternativ-Vorschläge.

Freie Arztwahl nur gegen Gebühr - das gab es in Deutschland bislang nicht. Das will Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) im Zuge ihrer Reform nun ändern: 15 Euro soll der Eintritt in die Praxen von Fachärzten künftig kosten, wenn der Patient ohne Erlaubnis des Hausarztes kommt. Außer den Krankenkassen befürwortet niemand das Modell von Schmidt, die damit 600 Millionen Euro einsparen will. Weder Patienten, Fachärzten noch Hausärzten gefällt die Idee einer Praxis-Gebühr. Von der Opposition ganz zu schweigen. Die Gegner sehen in Schmidts Plan eine Bestrafung der Versicherten. Zudem ist fraglich, ob die Gebühr tatsächlich Geld spart.

Dabei sind sich alle Beteiligten mit der Ministerin einig, dass etwas getan werden muss: Es gehen zu viele Versicherte ungezielt und ohne Grund zum Spezialisten, heißt es. Einhellig beklagen sie sich, dass die Patienten nicht wüssten, welche Kosten sie verursachen. Die Rede ist von «Odysseen der Facharztbesuche» (Hausärzteverband), «Inanspruchnahme der Ärzte wegen Kinkerlitzchen» (Fachärzteverband) und «Doktor-Hopping» (AOK-Bundesverband). Deswegen soll der Hausarzt nach Schmidts Plänen zum Lotsen werden.

Viel Kaffeesatzleserei

Wie viele Patienten tatsächlich ohne Not zuerst zum Facharzt gehen, ist nicht bekannt. «Das ist eines der größten Probleme in Deutschland, dass wir solche statistischen Zahlen überhaupt nicht haben. Wir machen ja unheimlich viel Kaffeesatzleserei», stellt der Präsident des Verbands der Krankenversicherten Deutschlands, Heinz Windisch fest. Zudem sei nicht bestätigt, dass Facharztdiagnosen - wie von den Krankenkassen behauptet - teurer sind als Hausarztdiagnosen, fügt Wolfgang Aubke, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), hinzu. «Es gibt in ganz Europa keine Studie, die eine solche Behauptung bisher belegt hat.»

Das Ministerium kann keine Angaben über statistische Erhebungen machen. «Es gibt aber zahlreiche Beispiele für Über-, Unter- und Fehlversorgung», sagt eine Sprecherin. Die Krankenkassen sehen das genauso und plädieren einmütig für die Gebühr. «Wir erhoffen uns von dieser Steuerung eine Verbesserung der Qualität, weil gezielter behandelt wird. Und darüber hinaus auch Einsparungen. Denn wer gut behandelt wird, muss weniger häufig zum Arzt», sagt Rainer Eikel vom AOK-Bundesverband.

Fachärzte rufen zu Boykott des Gesetzes auf

Die Fachärzte sind anderer Ansicht und rufen schon mal zum Boykott des geplanten Gesetzes auf. «Die Strafgebühr wird umgangen werden», ist Jörg-Andreas Rüggeberg, Präsident der Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände, überzeugt. Notfalls kooperiere man mit den Hausärzten und lasse den Patienten nachträglich Überweisungen ausstellen.

Dagegen sperren sich aber die Hausärzte: «Das wäre ja ein starkes Stück. Das würden wir nicht unterstützen», sagt der Geschäftsführer des Hausärzteverbandes, Joachim Schütz. Dabei dürften besonders die Hausärzte unter der neuen Regelung leiden: Sie müssten mehr Patienten behandeln, ohne dafür mehr Geld zu bekommen. Das will Schütz aber geändert sehen. Doch die KBV, die den Ärzten ihr Honorar zuteilt, dämpft solche Hoffnungen: «Die festgeschriebenen Beträge bleiben gleich», sagt KBV-Vorstand Aubke. Damit bliebe den Hausärzten nur der Prestige-Gewinn des Lotsen, meint Facharzt Rüggeberg.

Alternativ-Vorschläge

Neben der Kritik an der Praxis-Gebühr gibt es aber auch Alternativ-Vorschläge. Hausärzte und KBV wollen ein ähnliches Modell wie bei privat Versicherten, mit Arztrechnung und nachträglicher Kostenerstattung. Der Krankenversicherten-Verband befürwortet eine Eigenbeteiligung, falls der Kassenbeitrag gesenkt wird. Das halten auch die Fachärzte für eine gute Idee. Sie könnten sich aber auch eine pauschale Praxiseintrittsgebühr für jeden Arztbesuch vorstellen, wie sie in Frankreich üblich ist.

DPA
Johanna Durnbaugh