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Corona-Impfung ab 12 Jahren Zankapfel Impf-Angebot für Kinder: Spahn verteidigt, Hausärzte kritisieren

Ein Kinder- und Jugendarzt drückt ein Abtupftuch an die Stelle, an der eine junge Frau geimpft wurde
Ein Kinder- und Jugendarzt drückt ein Abtupftuch an die Stelle, an der eine junge Frau mit dem Corona-Impfstoff Comirnaty von Biontech/Pfizer geimpft wurde
© Fabian Sommer / DPA
Kinder und Jugendlichen ab 12 Jahren ein Impf-Angebot machen? Die Gesundheitsminister der Länder haben dies beschlossen, doch es sind nicht alle glücklich damit. Gesundheitsminister Spahn verteidigte den Beschluss.

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern haben entschieden, Jugendlichen ab zwölf Jahren ein breites Angebot an Corona-Impfungen zu ermöglichen. Damit umgingen sie die Stiko: In Deutschland empfiehlt sie Impfungen von Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren nicht allgemein, sondern nur bei höherem Risiko für schwerere Corona-Verläufe etwa wegen Erkrankungen wie Diabetes. Die Datenlage reiche nicht, um mögliche Folgeschäden auszuschließen.

Die Hausärzte in Deutschland haben mit Unverständnis auf den Beschluss der Gesundheitsminister reagiert. Warum eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission zu dieser Frage auf der Basis fundierter Studien nicht abgewartet werden könne, sei ihm "schleierhaft", sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Das Ganze klingt ein wenig nach Wahlkampfgetöse."

Weigeldt: Kinder eher von Lockdown als von Long-Covid betroffen

Weigeldt warf den Gesundheitsministern eine "Missachtung der Kompetenz" der Stiko vor und warnte, dass der Beschluss zum Impfangebot zu Verunsicherung führen könne. Zudem liege das Pandemie-Risiko derzeit "mehr bei den nicht impfwilligen Erwachsenen als bei den Kindern und Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren".

In der "Wirtschaftswoche" vom Dienstag bezeichnete Weigeldt die Vorstellung, "dass wir selbst nach einer Stiko-Empfehlung alle Jugendlichen durchimpfen", als "genauso Science-Fiction wie die Vorstellung über eine Impfquote von 90 Prozent". Dies sei aber auch nicht notwendig. "Worunter die meisten Kinder leiden, ist sicherlich weniger Long-Covid als vielmehr Long-Lockdown", sagte der Mediziner. Er plädierte deshalb für eine Debatte über eine Impfpflicht für Kita- und Lehrpersonal.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Entscheidung von Bund und Ländern dagegen verteidigt. Spahn betonte am Dienstag im RBB-Inforadio, dass die Impfung freiwillig bleibe. Es gebe dabei auch keinen Widerspruch zur Ständigen Impfkommission (Stiko). "Das ist durchaus im Einklang mit der Stiko", sagte Spahn.

"Es geht ausdrücklich nicht darum, Druck zu machen"

"Wer will, kann sich impfen lassen, keiner muss. Das ist kein Gegensatz, sondern wir sind da im Einklang miteinander", betonte der Minister. Spahn verwies darauf, dass viele in der Altersgruppe schon jetzt geimpft würden. "Es sind schon über 900.000 Kinder und Jugendliche von zwölf bis 17 Jahren, das sind etwa 20 Prozent dieser Altersgruppe, mindestens einmal geimpft, auf eigenen Wunsch", sagte der Minister.

Mit Blick auf Kritik an einem generellen Impfangebot für Jugendliche, wie sie etwa der Hausärzteverband äußerte, sagte Spahn: "Es geht ausdrücklich nicht darum, Druck zu machen." Gerade das Impfen bei Kindern und Jugendlichen sei "auch ein emotionales Thema, das in vielen Familien diskutiert wird". Es gehe darum, denjenigen, die geimpft werden wollten, auch die Möglichkeit dazu zu geben.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat die wegen ihrer Haltung zur Impfung von Kindern und Jugendlichen unter Druck geratene Ständige Impfkommission verteidigt. Man solle die Unabhängigkeit der Stiko akzeptieren, er habe Vertrauen in das wissenschaftliche Gremium, sagte der CDU-Politiker am Dienstag auf WDR 5 im "Morgenecho". Nordrhein-Westfalen werde die Stiko-Empfehlung zur Corona-Schutzimpfung von Heranwachsenden ab 12 Jahren weiter einhalten.

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Sächsische Impfkommission empfiehlt schon Impfung ab 12 Jahre

Der Vorsitzende der Sächsischen Impfkommission (Siko), Thomas Grünewald, hat die Empfehlung für eine Corona-Schutzimpfung für alle Kinder ab zwölf Jahren hingegen verteidigt. "Der individuelle Nutzen für ein Kind ist deutlich größer als der Schaden oder die Probleme, die eine Impfung anrichten kann", sagte der Experte der Leipziger Volkszeitung (LVZ) am Dienstag. Grundlage seien neue Daten aus Ländern wie den USA oder Israel, wo seit Langem auch ab 12 Jahren geimpft wird.

"Wir können die Impfung nun guten Gewissens empfehlen", so Grünewald. Auch die Ständige Impfkommission (Stiko) prüfe die Daten gründlich und werde noch Ergebnisse aus Deutschland und Europa hinzuziehen. "Doch in Sachsen sind wir vielleicht etwas elastischer als auf Bundesebene."

Die Impfung sollte aber nur erfolgen, "wenn alle – sowohl Impfling als auch Sorgeberechtigte und natürlich der Impfende – zustimmen", betonte Grünewald. Mit der neuen Empfehlung werde auch keine Impfpflicht eingeführt. Sachsen, das mit der Siko als einziges Bundesland über eine eigene Impfkommission verfügt, empfiehlt seit dieser Woche eine Corona-Schutzimpfung auch für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahre.

rw DPA AFP

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