"Was Gott zusammen geführt hat, das soll der Mensch nicht scheiden", sagt der Priester bei der Trauung. Doch was, wenn das Paar nicht standesamtlich, sondern nur kirchlich verheiratet ist? Was bislang sogar unter Strafe stand, ist seit dem 1. Januar 2009 möglich: Dann begeht ein Priester keine Ordnungswidrigkeit mehr, wenn er ein Paar kirchlich traut, das noch nicht am Standesamt unterschrieben hat. Die Freude über die Abschaffung der Paragraphen 67 und 67a aus dem Personenstandsgesetz hält sich bei der deutschen Bischofskonferenz aber in Grenzen: Man fürchtet sich vor seelsorgerischen, aber auch rechtlichen Problemen für das Ehepaar.
Ehe nicht auf Widerruf
Dazu erklärt der Erzbischof von Bamberg, Ludwig Schick: "Der Wegfall der staatlichen Bestimmungen ändert substanziell nichts für die kirchliche Eheschließung. Nach wie vor gelten die Bestimmungen des Konkordates und der entsprechende Notenaustausch von 1957 mit dem Heiligen Stuhl. Das heißt für uns: Es kann auch in Zukunft keine kirchliche Eheschließung ohne vorherige staatliche Trauung stattfinden, bis gegebenenfalls eine neue kirchliche Verlautbarung oder Entscheidung veröffentlicht wird."
Die Annullierung
In einem "Ehenichtigkeitsverfahren" wird untersucht, ob die Ehe zweier Katholiken überhaupt gültig zustande gekommen ist. Anlaufstelle ist erst einmal der zuständige Ortspfarrer, der ein Beratungsgespräch führt, die Klageschrift erstellt und den Fall dann an das Kirchengericht verweist.
Gründe für eine Annullierung sind:
* mangelnder Ehewillen;
* Eheunfähigkeit (z.B. andauerndes Fremdgehen);
* Furcht und Zwang (z.B. wegen einer Schwangerschaft);
* Irrtum, Bedingung und Täuschung (z.B. ein Partner will gar keine Kinder);
* vorliegendes Ehehindernis (z.B. Impotenz).
Anders als die evangelische Ehe ist eine katholische nämlich nicht auf Widerruf zu haben. "Eine Scheidung gibt es im Kirchenrecht nicht", sagt der Kirchenrechtler Elmar Güthoff von der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Güthoff ist gleichzeitig Richter in erster und zweiter Instanz der Konsistorien Augsburg und Berlin. Dort werden die Klagen behandelt, die Ehepartner einreichen, um ihre Verbindung annullieren zu lassen.
Status als "nichteheliche Gemeinschaft"
Die Gründe für die Eheleute, die Verbindung annullieren zu wollen, sind vielfältig: "Viele wollen mit sich ins Reine kommen", sagt der Kirchenrechtler. Andere wollen einfach wieder kirchlich heiraten, empfinden die erste Verbindung "als nicht wahrhaftig". Doch anders als im zivilen Recht sei nicht die Gegenwart entscheidend, für die Kirche zähle allein der Zeitpunkt der Trauung, sagt Güthoff. Allein die Frage, ob eine Ehe zerrüttet ist, interessiert den Gesetzgeber. "Wir gehen in die Tiefe und erforschen beispielsweise, ob überhaupt tatsächlich die Absicht bestand, eine Ehe wirklich einzugehen".
Rechtlich sieht der Staat ab dem 1. Januar eine Ehe vor dem Traualtar als nichteheliche Gemeinschaft an. Dieser Status aber bringt keine Steuervorteile, auch beim Erb- und Unterhaltsrecht können keine Ansprüche geltend gemacht werden. Sehr wohl aber, wenn einer der beiden Ehepartner plötzlich arbeitslos wird. Dann nämlich ist die eheähnliche Gemeinschaft das Signal für die Behörden, dass der Ehepartner zur Kasse gebeten werden kann und dessen Einkünfte auf den Hartz IV-Satz angerechnet werden.
616 Ehen wurden aufgelöst
Viele Ehe-Annullierungen gibt es in der Katholischen Kirche in Deutschland bislang nicht: Nach Angaben des "Annuarium Statisticum Ecclesiae", dem Statistik-Buch der Kirche, werden im Jahr etwa 1150 Ehen vor den kirchlichen Richtern in erster Instanz eingebracht. Diese ist bei den Diözesen ansässig, die zweite Instanz ist das jeweilige Erzbistum, nur wenige Fälle kommen vor die römische Rota. Aufgelöst wurden im Jahr 2006 insgesamt 616 Ehen – im erzkatholischen Italien waren es mehr als 2500.
Zwölf Gründe gibt das Kirchenrecht vor, die eine Ehe ungültig werden lassen: Ein Verwandtschaftsgrad der Eheleute ist ein solcher Grund, aber auch, wenn eine Frau zur Heirat (etwa wegen einer Schwangerschaft) gezwungen wurde. Dass Impotenz, aber nicht Zeugungsunfähigkeit ein Ehehindernis ist, erklärt Prof. Güthoff so: "Die Ehe dient, das hat der kirchliche Gesetzgeber bereits 1917 heraus gestellt, der Befriedigung des Sexualtriebes". Die Leibfeindlichkeit, die der Kirche oft unterstellt wird, gilt zumindest dann nicht, wenn der Bund fürs Leben vor dem Altar eingegangen wurde.
Häufigster Grund für die Annullierung ist übrigens die psychische Unfähigkeit zur Ehe. Etwa ein Viertel aller katholischen Ehen wird aus diesem Grund annulliert. Psychisch unfähig zur Ehe ist ein Katholik zum Beispiel dann, wenn er oft fremd geht und es nicht lassen kann. In solchen Fällen ist dann auch der Kirchenrichter nicht päpstlicher als der Papst...