Ob als Feierabendbier, als Wein zum Essen oder als Longdrink auf der Party: Alkohol gehört für viele Menschen als Genussmittel zu einem schönen Leben dazu. Dass man davon abhängig werden kann, ist den meisten wohl klar, ob ihr eigener Konsum problematisch ist, könnten viele aber wohl nicht beantworten. Wo beginnt die Sucht?
Wird Alkohol täglich ganz selbstverständlich getrunken, kann dies schon ein erster Schritt in die falsche Richtung sein. Denn der Übergang vom normalen Alkoholkonsum zum Alkoholmissbrauch und schließlich zur Alkoholsucht verläuft für gewöhnlich schleichend. Zudem erschwert das positive Image von Alkohol - auch Sportler werben dafür! -, dass regelmäßige Konsumenten ihre Gewohnheiten hinterfragen.
Wann ist Schluss mit lustig?
Wenn Alkohol nicht mehr als Genussmittel konsumiert, sondern als Hilfsmittel benutzt wird. Etwa um vom Stress in der Arbeit oder in der Familie abzuschalten oder negative Emotionen wie Leere, Angst oder Selbstzweifel zu betäuben. Das Risiko dabei: Je mehr man sich daran gewöhnt, alltägliche Situationen mit Alkohol zu bewältigen, umso mehr verkümmern die eigenen inneren Fähigkeiten, das Leben zu meistern. Wer jeden Abend mehrere Biere oder eine Flasche Wein "braucht", um sich vom Stress des Arbeitstags "zu erholen", steckt für gewöhnlich bereits im Missbrauch.
Im Unterschied zur Sucht, kann man sich aus dieser Missbrauchsfalle aber noch aus eigener Kraft lösen. Gefühle wie "ich sollte mal weniger trinken" oder "Alkohol bekommt mir nicht mehr so gut wie früher" können übrigens ein guter Indikator dafür sein, dass es Zeit ist, den Konsum kritisch zu überdenken. Und in den allermeisten Fällen gelingt es den Betroffenen dann auch, ihre Trinkgewohnheiten zu korrigieren.
Wann wird es gefährlich?
Hat die Sucht eingesetzt, wird es sehr schwer, vom Alkohol wieder loszukommen. Einem Alkoholkranken ist es nicht mehr möglich, sich aus eigener Kraft zu befreien. Alkoholsucht bedeutet: Der Betroffene ist psychisch abhängig geworden. Nüchtern verspürt er ein brennendes Verlangen nach Alkohol, um seine Verpflichtungen zu meistern. Ohne sein Quantum ist er nicht mehr in der Lage, durch den Tag zu kommen. Im Laufe der Zeit vernachlässigt er sich und seine privaten wie beruflichen Aufgaben. Viele Betroffene verlieren dadurch nach und nach ihre Arbeit, ihr soziales Umfeld, ihre Familie und schließlich ihre Wohnung.
Der Weg ins soziale Abseits ist mitunter ein jahrelanger Leidensweg, der die ganze Familie des Kranken betrifft - nicht selten geraten der Partner und die Kinder in eine so genannte Co-Abhängigkeit. Das bedeutet, dass sie sich des Alkoholproblems ihres Angehörigen bewusst sind, aber anstatt ihn damit zu konfrontieren, versuchen sie, die Folgen seines Verhaltens abzufedern und vor dem Umfeld geheim zu halten. Dadurch verschlimmern sie die Situation aber ungewollt, weil der Trinker auf diese Weise lange Zeit nicht direkt die Folgen seines Handelns zu spüren bekommt und weitermachen kann wie bisher.
Wie kommt man aus der Sucht heraus?
Zur psychischen Abhängigkeit vom Alkohol gesellt sich mit der Zeit die körperliche. Und ist diese erst einmal voll ausgeprägt, was viele Jahre dauern kann, entsteht eine potenziell lebensbedrohliche Situation. Nicht nur werden bei jedem Vollrausch Hunderttausende Gehirnzellen vernichtet, wodurch auf Dauer das Gehirn schrumpft, auch können schwere Leberschäden, Bauchspeicheldrüsen- und Magenschleimhautentzündungen, Herzmuskelerkrankungen und Krampfanfälle die Folge sein.
Der Entzug von einer ausgewachsenen Alkoholsucht ist der gefährlichste Drogenentzug überhaupt, selbst eine Heroinabhängigkeit lässt sich leichter überwinden. Stellt ein schwerer Alkoholiker von einem Tag auf den nächsten seinen Alkoholkonsum ein, verfällt er meist in das sogenannte Delirium tremens, das von körperlichen Schmerzen, Krämpfen und Halluzinationen (die sprichwörtlichen weißen Mäuse) geprägt ist. Er muss dann zwingend intensivmedizinisch begleitet werden. Bis zu ein Fünftel der Betroffenen stirbt am Delirium tremens, weil medizinische Hilfe zu spät kommt.
Dennoch ist es nicht unmöglich, sich aus einer Alkoholsucht zu befreien, auch wenn dies vom Betroffenen eine große psychische Kraftanstrengung erfordert und nach dem erfolgreichen Entzug jegliche Form von Alkohol für den Rest des Lebens tabu ist. Denn der Körper vergisst seine einmal erworbene Sucht nie wieder, und selbst die geringste Menge Alkohol kann einen vollen Rückfall auslösen.
Der erste Schritt, um sich von der Sucht zu lösen, ist immer die Einsicht des Betroffenen, dass er ein schweres Problem hat und Hilfe braucht. Glücklicherweise gibt es in Deutschland ein sehr enges Netz aus Suchtberatungsstellen, Selbsthilfegruppen, Fachkliniken und Therapieeinrichtungen, an die sich Alkoholiker und ihre Angehörigen wenden können. Wichtig zu wissen: Auch Menschen, die nicht in die Sucht abgedriftet sind, sich aber Sorgen um ihren Konsum machen, finden hier verständnisvollen Rat und Hilfe. Je früher sie diese annehmen, desto größer ist die Aussicht auf eine Rückkehr zu einem unbedenklichen Umgang mit Alkohol. Und zum Genuss.
Diese Frage stammt aus dem Archiv von P.M. Fragen & Antworten. Der Artikel ist in der Ausgabe 2/17 erschienen. Über 60 weitere spannende Fragen finden Sie im aktuellen Heft am Kiosk.