Wahlkampf in Großbritannien Verräterisches Unentschieden

Bei der heiß erwarteten Wahlkampf-TV-Debatte in Großbritannien hat es keinen klaren Sieger gegeben. Die kleinen Parteien profitieren vom Charisma-Vakuum der Protagonisten Cameron und Miliband.

Am Morgen danach waren die Briten genauso schlau wie am Morgen davor. Obschon sich Historisches ereignet hatte in einem Fernsehstudio in Salford, in der Nähe von Manchester. Sieben Parteiführer debattierten fünf Wochen vor den Wahlen erstmals im britischen Fernsehen. Und allein diese Konstellation verdeutlichte: Politik in Großbritannien wird nie mehr so sein wie sie mal war. Die Ära, in der Labour und Konservative klare Mehrheiten erzielten und ergo Alleinregierungen stellten, ist vorüber. Es ist ein bisschen wie im Fußball: Die Kleinen werden immer größer, immer frecher und immer besser.

Es gab keinen Gewinner bei der mit Spannung erwarteten Debatte. Es gab aber auch keinen klaren Verlierer, am ehesten erfüllte dieses Kriterium noch Vize-Premier Nick Clegg von den Liberalen, dessen lauwarmer Auftritt fünf Jahre lauwarme Politik kongenial illustrierte. Ansonsten: Alles beim Alten und wie erwartet: Cameron sprach wenig von Menschen und viel von Aufschwung, "wir sind die am schnellsten wachsende Wirtschaft unter den führenden Wirtschaftsnationen".

Frauen in Führung

Sein Herausforderer Ed Miliband zieh die Tories als Partei der Reichen, der Europa-feindliche UKIP-Chef Nigel Farage malte sein übliches Horrorszenario mit Immigranten aus zehn "post-kommunistischen EU-Ländern" und überhaupt einem Europa mit einer halben Milliarde potentiellen Einwanderern vor der Tür. Nicola Sturgeon von der Scottish National Party (SNP), demontierte ihn für seine wenig geistreichen Einlassungen und unterstrich, warum die SNP auf dem besten Weg ist, drittstärkste Partei in Westminster zu werden. Natalie Bennett von den Grünen und Leanne Wood von der walisischen Partei Plaid Cymru stellten sich dem nationalen Publikum vor - und erzielten Achtungserfolge. Wenn es überhaupt Gewinner gab, dann die Frauen.

Am Morgen danach war nur klar, dass sich an der Gesamtgemengelage vor den Parlamentswahlen nicht viel geändert hat. Die Meinungsumfragen ergaben kein verlässliches Bild, eine sah Cameron vorn, eine Miliband, eine Nicola Sturgeon, die auch in den sozialen Netzwerken den stärksten Eindruck hinterließ. Allein: Für Sturgeons SNP dürfen am 7. Mai nur Schotten stimmen. Das werden sie auch aller Voraussicht nach auch tun und Labour in der einstigen Hochburg ein erhebliches Maß an Stimmen kosten.

Betrunken vom "britischen Volk"

Die Prognosen für den Mai laufen nach wie vor auf ein Kopf-an-Kopf Rennen von Tories und Labour hinaus, und nicht einmal eine Koalition würde nach dem jetzigen Stand der Dinge jene 326 Sitze im Unterhaus generieren, die für die Regierungsbildung notwendig sind.

Die Aussicht auf so viel Ungewissheit sorgt schon jetzt am britischen Finanzplatz für "Panic in the Markets" wie die "Times" am Tag der Debatte konstatierte. Und der abendliche Showdown brachte kein reinigendes Gewitter. Klar wurde nur, warum sich David Cameron wochenlang geziert und gespreizt hatte. Ein direktes TV-Duell mit Miliband lehnt er kategorisch ab. Der Auftritt am Donnerstag kam dem noch am nächsten. Viel, das immerhin wurde deutlich, würde die Nation bei einem direkten Aufeinandertreffen der beiden nicht verpassen. Die Parteiführer verlassen sich weitgehend auf Vorgestanztes und so gut wie nie den sicheren Pfad, den ihnen die Strategen vorgeben. Also entsteht ein merkwürdiges Charisma-Vakuum. Vielleicht erklärt das, warum weder der Amtsinhaber noch sein Herausforderer bei den Wählern so richtig punkten können. Eine Blitzumfrage, wer von beiden den besseren Eindruck hinterlassen habe, endete mit einem verräterischen Remis - 50 zu 50 Prozent.

Die kluge Kolumnistin Marina Hyde vom "Guardian" konnte die Worthülsen der Protagonisten irgendwann kaum noch ertragen. "Wenn Sie jedes Mal bei der Erwähnung von 'Das britische Volk' einen Drink genommen hätten, wären Sie jetzt schwer betrunken."

Es sind noch fünf Wochen bis zu den Wahlen. Cheers.