Bei dem Avantgarde-Musiker John Cale fing alles ganz klassisch an. Im Schulorchester spielte er die Bratsche, Ende der fünfziger Jahre verließ er seine walisische Heimat und studierte Musik am Goldsmith College in London. 1963 zog er mit einem Leonard-Bernstein-Stipendium ausgestattet nach New York, wo ihn innerhalb kurzer Zeit eher unkonventionelle Musik faszinierte. Dabei ist es geblieben. Nach einer mehr als vierzigjährigen Karriere hat kaum ein Musiker ein vergleichbares Repertoire vorzuweisen: Streichquartette, Ballettmusik, Filmkompositionen und immer wieder experimentelle Rockmusik. John Cale wird am neunten März 65.
In New York gründete Cale 1965 zusammen mit Lou Reed die Mutter aller Gitarren-Pop-Bands: Velvet Underground. Die Gruppe mit eigenwilligen Musikern und dem deutschen Fotomodell Nico als Sängerin entstammte dem Umfeld des Pop- Künstlers Andy Warhol. Hier begegneten sich Rock und Avantgarde. Nicos tiefe Stimme prägte das Debüt-Album "The Velvet Underground and Nico" (1967) wesentlich mit, und als sie später eine Solo-Karriere startete, wurde John Cale ihr Produzent. Die Band blieb jedoch nicht lange seine künstlerische Heimat. 1968 verließ John Cale die Gruppe wegen heftiger Meinungsverschiedenheiten mit Lou Reed.
Solokarriere und Produzent
In den siebziger Jahren startete Cale eine Solo-Karriere. Die Kritiken waren gut, aber der große kommerzielle Erfolg blieb aus. Er entdeckte sein Talent als Produzent und arbeitete unter anderem an den Debüts von Patti Smith, The Stooges und anderen Ikonen der Rockmusik. Damals begann er auch mit seinen Kompositionen fürs Ballett und hatte bald den Ruf eines "rastlosen Erneuerers", wie er in den britischen Medien bezeichnet wurde. "Es gibt nichts Schlimmeres für die Kreativität, als immer dasselbe zu tun", sagte der Musiker damals in einem Zeitungsinterview.
Zwischendurch wurde Cales Musik zu einer Art "dunklen Collage", so das Urteil der Kritiker aus den späten siebziger Jahren. John Cale galt damals als launisch und paranoid und erfüllte das Klischee des exzessiven Rockmusikers. Ende der siebziger Jahre schnitt er auf der Bühne einem toten Huhn den Hals durch. Später gab er den Konsum von Kokain zu, mit dem er seine Musikfantasien umzusetzen versuchte. In den achtziger Jahren gönnte er sich eine Auszeit, kehrte dann aber mit mehreren Solo-Alben wieder zurück, schrieb Filmmusik und Gedichte.
Poetischer Asket, Rockmusiker und Balladensänger
Im Jahr 2005 erschien er mit einer neuen Band und dem Album "blackAcetate". Die Band wurde von den Kritikern gelobt, denn sie ermögliche Cale "den Spielraum für eine neue Interpretation seines umfassenden Repertoires", schrieb die Zeitung "The Guardian". Das versucht er auch in seinen Konzerten dem Publikum zu vermitteln. "Ob poetischer Asket, Rockmusiker oder Balladensänger, John Cale schafft es, die Verschiedenheit seines Werkes zusammenzubringen", lobte ein Musikkritiker der "Times". Kurz vor seinem 65. Geburtstag ist die neue Doppel-CD "Circus Live" erschienen, die John Cale und seine Band bereits in Deutschland vorgestellt haben.