Mag der Konsum auch Jahr für Jahr sinken und die Konzentrationswelle im Brauereigewerbe rollen - Bier ist in Deutschland ein Getränk mit kulturellem Wert. Der ist offenbar so bedeutend, dass sich nun die höchsten Verwaltungsrichter mit der korrekten Zusammensetzung des Getränkes beschäftigen. Am Donnerstag hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ganz nüchtern zu klären, ob auch gezuckerter Gerstensaft Bier genannt werden darf.
Es geht um den "Brandenburger Bierstreit", der Helmut Fritsche längst zu einiger Berühmtheit und seinem umstrittenen Gebräu "Schwarzer Abt" zu reißendem Absatz verholfen hat. Seit mehr als zehn Jahren streitet der Brauerei-Chef aus Neuzelle an der polnischen Grenze mit den Brandenburger Behörden über den Zucker in seinem Schwarzbier.
Zucker zur Geschmacksabrundung
Fritsche sieht sein Gebräu als „schützenswerte Bierspezialität“ nach einem angeblich hunderte Jahre alten Rezept aus dem Kloster gleich neben der Brauerei. Er beantragte eine Ausnahmegenehmigung. Das zuständige Lebensmittelüberwachungsamt Beeskow aber ließ sich von seiner Erzählung nicht beeindrucken und verwies auf das Deutsche Reinheitsgebot von 1516.
In dem weltweit ältesten Lebensmittelrecht ist festgelegt, dass Bier nur aus Hopfen, Gerstenmalz, Hefe und Wasser zu bestehen habe. Daraus braut auch Fritsche seinen "Schwarzen Abt", allerdings gibt er ganz am Ende nach der Filterung auch Invertzuckersirup hinzu - "zur Geschmacksabrundung", wie er begründet.
Das süße Gesöff darf nicht Bier genannt werden
Für das Lebensmittelamt sowie das übergeordnete und ebenfalls seit Jahren mit dem Thema befasste Brandenburger Agrarministerium ist die Lage klar: Das süße Gesöff darf nicht Bier genannt werden - siehe Reinheitsgebot. Andererseits: Um das kühle Blonde - oder in diesem Fall das süße Schwarze - rankt sich abseits der fast 500 Jahre alten königlich-bayerischen Verfügung mittlerweile ein umfangreiches Paragrafengestrüpp.
Da ist zum einen das seit 1993 geltende vorläufige Biergesetz. Dieses sieht tatsächlich Ausnahmegenehmigungen für besondere Biere vor, wie sie Fritsche für seinen "Schwarzen Abt" erlangen möchte. In der Bierverordnung von 1990 wiederum sind derlei Extraregelungen nicht vorgesehen, wie Richter Hartmut Fischer vom Verwaltungsgericht Frankfurt an der Oder erläutert. Auch er war schon mit dem Fall beschäftigt.
Wirrwarr an Regeln
Fischer stellte sich seinerzeit auf Seiten der Behörden und lehnte Fritsches Ansinnen ab. Allerdings hatte er auch auf die verzwickte Lage aufmerksam gemacht, dass den Brauern gemäß Gesetz zwar die Ausnahmegenehmigung eingeräumt werden könne. Trotzdem dürften die Neuzeller nicht "Bier" auf ihren „Schwarzen Abt“ drucken, weil dies gegen die Verordnung verstoße.
Das leicht trunken machende Wirrwarr ließ Brauerei-Chef Fritsche nun vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen. Freilich würde sich sein mittlerweile legendäres Schwarzbräu auch ohne "Bier"-Aufdruck gut verkaufen - der kleine Betrieb exportiert bis nach Nordamerika und Korea. Allerdings weiß Fritsche auch um die Werbewirkung des Streits. Damit gelang es dem früheren Industriemanager, die Brauerei mit ihren 35 Mitarbeitern im ansonsten strukturschwachen Grenzland zu erhalten.
Neuerdings bietet Fritzsche ein "Anti-Aging-Bier" an
Längst vertreibt er auch ein Buch über die Auseinandersetzung mit dem Titel "Der Bierkrieg - Im Fadenkreuz der Bürokratie". Und Fritsche hat dafür gesorgt, dass nach der letztinstanzlichen Entscheidung der Leipziger Richter nicht plötzlich Ruhe einkehrt. Neuerdings bietet er ein "Anti-Aging-Bier" an. Diverse Zusatzstoffe wie Sohle und Algen sollen angeblich dem Altern entgegen wirken - vor allem aber verstoßen sie gegen das Reinheitsgebot. Der Brief vom Lebensmittelamt Beeskow ist schon gekommen.
Sven Kästner/AP