Heizen mit Weizen - für Karlfried Cost in Frankfurt-Niedererlenbach ist das schon Alltag. Der Preis, der für sein Getreide gezahlt werde, sei auf ein unerträglich niedriges Niveau gefallen, klagt der Landwirt. "Getreide hat einen Wert von fast Null." 90 Euro pro Tonne bekomme er von der Mühle, 200 Euro Heizölkosten könne er aber einsparen, wenn er eine Tonne Getreide zum Heizen verbrenne. Deshalb verfeuert Cost Getreide von seinen Feldern in einer tschechischen Versuchsanlage und heizt damit sein Wohnhaus.
Mit dem neuen Preisschub für Mineralöl rückt Getreide als Brennstoff ins Blickfeld. Biomasse wird als Energielieferant eine große Zukunft vorausgesagt, aber anders als Raps oder Rüben wurde Getreide bisher ausschließlich als Nahrungs- und Futtermittel angebaut. Die Körner sind als Brennstoff nicht zugelassen. Neben technischen Schwierigkeiten gibt es auch ethische Bedenken.
Die Landwirte wissen nicht, wohin mit minderwertigen Qualitäten
Für die Bauern wäre die Erlaubnis, Getreide zur Wärmegewinnung zu nutzen, die Lösung für eine ganze Reihe von Problemen: Die Getreidepreise sind im Keller und werden vermutlich weiter sinken. Derzeit bekommen die Landwirte nach Angaben des hessischen Bauernverbandes höchstens 10 Cent für ein Kilogramm Backweizen. Für Futtergetreide werde noch wesentlich weniger gezahlt, sagt Pressesprecher Bernd Weber. 2,5 Kilogramm Weizen haben den Heizwert von einem Liter Öl, für den zurzeit mehr als 60 Cent gezahlt werden. Falls Getreide ähnlich wie Holzpellets in Heizanlagen verfeuert werden dürfte, könnten die Kunden sogar dann noch sparen, wenn der Getreidepreis etwas steige.
Außerdem wissen die Landwirte nicht, wohin mit minderwertigen Qualitäten, die nicht als Backgetreide verwendbar sind. Auf Mülldeponien darf dieser Abfall seit Juni nicht mehr gebracht werden - bleiben nur die Müllverbrennung oder Kompostierung. Beides ist mit Kosten verbunden.
Auf 6,9 Millionen Hektar bauen die deutschen Landwirte nach Angaben des Statistischen Bundesamts Getreide an, davon wächst auf 3,7 Millionen Hektar Brotgetreide (Weizen und Roggen).
Ökologische Vorteile bei der Getreideverbrennung
Hessen hat im Frühjahr eine Bundesratsinitiative gestartet, um die Zulassung von Getreide als Regelbrennstoff für kleine Feuerungsanlagen zu erreichen. Der Antrag sei nicht mehrheitsfähig gewesen und liege vorerst auf Eis, sagt Bauernsprecher Weber. Der Bauernverband wird nicht müde, auch auf die ökologischen Vorteile der Getreideverbrennung hinzuweisen. Wie alle Pflanzen setze Getreide bei der Verbrennung nur so viel schädliches Kohlendioxid frei, wie es beim Wachsen aufnehme, und diene so dem Klimaschutz.
Aber das Verfeuern eines seit biblischen Zeiten wichtigen Nahrungsmittels ist für viele ein ethisches Problem. Mancher alte Mensch kann sich an Notzeiten auch in Deutschland erinnern, Hungerkatastrophen in Afrika rühren Millionen. Der katholische Moraltheologe Michael Rosenberger (Linz) konstatiert ein "emotionales Nein", kommt aber zu dem Schluss, dass es keine schlagenden Argumente gibt, die prinzipiell gegen den Anbau von Weizen zur Energieerzeugung sprechen. Die emotionalen Bedenken seien ein hilfreiches Warnsignal vor allzu großer Euphorie über die Chancen nachwachsender Rohstoffe.
"Reine Getreideverbrennung in Kleinanlagen ist schwierig"
Auch technische Probleme sind nach Einschätzung von Experten noch nicht gelöst. Uwe Fritsche vom Öko-Institut Darmstadt meint, Getreide könne als Brennstoff mit Holz nicht mithalten. Noch sei keine Technik auf dem Markt, die mit Verbrennungs-Rückständen wie Kohlenwasserstoffen oder Kohlenmonoxid fertig werde. Wegen des hohen Stickstoffgehalts der Getreidekörner seien auch die Stickoxidemissionen problematisch. "Reine Getreideverbrennung in Kleinanlagen ist schwierig", sagt Fritsche. Vielversprechend seien aber Versuche, Getreide gemischt mit Holzhackschnitzeln zu verbrennen.
Biomasse sei in ihrer ganzen Palette als Energielieferant geeignet, meint die Klimaschutz-Expertin der Umweltstiftung WWF, Regine Günther. Getreide gehöre prinzipiell ebenso dazu wie Holz, Raps oder Zuckerrüben. Allerdings komme es auf den Anbau an - Pestizide und der Einsatz von Gentechnik seien aus ökologischer Sicht abzulehnen.
Sabine Ränsch/DPA