Albrecht Graf von Goertz Freigeist

Datsun Fairlady 240Z Baujahr 1969
Datsun Fairlady 240Z Baujahr 1969
© press-inform - das Pressebuero
Albrecht Graf von Goertz ließ sich in keine Schablone pressen. Der Adelige hatte seinen eigenen Kopf und wollte sich nie von Managern in seine Designs reinreden lassen. Das Resultat sind solche wunderschönen Automobile wie der BMW 507.

Albrecht Graf von Goertzs Leben könnte gut als Drehbuch für einen Hollywood herhalten. Der Adlige erblickte am 12. Januar 1914 in Brunkensen in der Nähe von Hannover als zweiter Sohn eines alten deutschen Adelsgeschlechts geboren. Die Kindheit auf dem elterlichen Gut verlief so malerisch, wie man sich es in einem Jugendroman vorstellt. Doch dann kam die Zäsur des Nationalsozialismus und da Albrechts Mutter eine Jüdin war, waren Repressalien vorprogrammiert. Also packte der angehende Banker seine Sachen, kehrte seiner Heimat 1936 den Rücken und ließ sich in Los Angeles nieder. Dort schlug er sich als Autowäscher durch, tunte schon damals die ersten heißen Schlitten (Hot Rods) und kritzelte schnell eigene Entwürfe auf Papier.

Das Zeichnen der Automobile war weit mehr als ein Zeitvertreib unter der heißen Sonne Kaliforniens. Bereits drei Jahre nachdem er in die USA gekommen war, schnappte er sich die Karosserie eines Mercury und transformierte sie in seinen eigenen Entwurf. Das Auto namens Paragon hatte elegant geschwungene Linien, pausbackige Kotflügel und stellte es bei der Weltausstellung 1939 in San Francisco aus. Das Automobil heischte Lobeshymnen ein und Goertz‘ Weg als Designer schien geebnet.

Doch dann kam der Zweite Weltkrieg und der Neu-Amerikaner wurde zu den Waffen gerufen. Kaum war der Krieg vorbei, schwang sich Albrecht Graf von Goertz hinter das Lenkrad seiner Paragon-Eigenkreation und machte sich auf den Weg nach New York. Das Coast-to-Coast-Abenteuer klappte und im Big Apple rollte das Einzelstück mit dem aristokratischen Besitzer auf den Parkplatz des Nobelhotels Waldorf-Astoria. Dort stand ein aufgemotzter Lincoln, den Albrechts geübtes Tuner-Auge sofort erspähte. Die beiden Auto-Fans kamen ins Gespräch und wie es der Zufall wollte, hieß der andere Raymond Loewy, der damals als Designer für die amerikanische Automarke Studebaker arbeitete. Damals erfolgten Job-Angebote noch ohne Assessment-Center, so schwang Goertz schon bald für Loewy den Bleistift und wirkte beim Facelift des Studebaker Champion mit, das durch die markante "Bullet Nose" einer Spitze zwischen den Scheinwerfern, die an ein Jet-Triebwerk erinnerte.

Doch der Freigeist aus Germany wollte sich nicht in irgendwelche Unternehmensschubladen stecken lassen und gründete 1953 sein eigenes Designbüro "Goertz Industrial Design, Inc. New York". Schon bald bestimmte wieder Zufall den Lebensweg des Adeligen. Denn in New York hatte sich ein anderer deutschsprachiger Emigrant namens Max Hofman einen florierenden Autohandel aufgebaut und war als Importeur für Porsche und Mercedes tätig. Der geschäftstüchtige gebürtige Österreicher hatte ein Näschen für Sportwagen, die den Nerv der Autofahrer trafen. Aufgrund seines Einflusses wurden solche Autos wie der Porsche 356 sowie das ansehnliche Mercedes-Duo 300 SL und 190 SL.

Hofmans Nase zuckte, als er die Entwürfe des jungen Designers sah und sofort versah er Goertz mit einem Auftrag. Denn ihn hatte ein Hilferuf aus München erreicht. BMW war damals beileibe nicht der strahlende Stern am Automobil-Firmament, sondern eine Firma, deren Produkte etwas staubig wirkten. Eine Auffrischung war dringend nötig. Also machte sich Albrecht Graf von Goertz ans Werk und schuf mit dem BMW 507 einen legendären Sportwagen, dessen Formen auch der "King of Rock ‘n Roll" Elvis Presley verfiel. Und weil er gerade dabei war, legte er gleich den BMW 503 dazu. Auf der IAA 1957 brannte Beifall für beide auf und der BMW 507 bekam schnell das Attribut "Traum von der Isar" verpasst. Was nur wenige wussten: Die BMW-Chefs ließen dem Grafen viele Freiheiten beim Entwurf des 507. Das Risiko zahlte sich aus.

Der Graf nahm die Huldigungen entgegen und widmete sich wieder seinem Studio. Er verstand sich mehr als Universalist und wollte sich nicht auf eine Marke und ein Produkt festlegen lassen. Dann zog es ihn nach Japan, wo er für Yamaha und Nissan / Datsun arbeitete, dem Nissan Silvia die Form verlieh und zumindest das Design des schönen Datsun 240Z sowie den Toyota 2000GT beeinflusste. Bis heute ist unklar, wie groß der Einfluss des Grafen beim Entwurf der Sportwagen war. Nach einem Rechtsstreit musste die stolzen Japaner eingestehen, dass sich die heimischen Designer des 240Z von Albrecht Graf von Goertz haben inspirieren lassen.

Der Graf kümmerte sich bereits um andere Objekte, keine Autos. Unter anderem entwarf er die Form für einen Agfa-Fotoapparat, ein schwungvolles Rowenta-Bügeleisen, Toaster, Kaffeemaschinen, Polaroid Kamera; SABA Radios und zuletzt einen Flügel für die weltbekannte Musikinstrumente-Manufaktur Steinway & Sons. In den 1990er-Jahren kehrte er auf das heimische Gut in Brunkensen und fuhr bis zu seinem Tod 2006 einen BMW M3.

pressinform