Raucher haben aufgrund ihrer abgestumpften Geruchsnerven bei ihm keine Chance. Auch Parfümierte fallen durchs Raster. Es ist verboten, sich mit aromatisierten Lotionen einzucremen. Heiko Lüßmann-Geiger setzt strengste Maßstäbe an seine Mitarbeiter. Denn es gilt, minimale Ausdünstungen im Auto zu erschnüffeln. Ein Schnupfen reicht zur "Arbeitsunfähigkeit". Zum Griechen um die Ecke dürfen seine Leute nur am Freitagabend und samstags, damit am Montag keine Knoblauchfahne mehr die Nase umweht.
Lüßmann-Geiger ist Leiter des Audi-Nasenteams. Seit 1985 gibt es die Schnüffler in Ingolstadt. Schon damals erkannte Audi, dass der richtige Geruch im Auto von fundamentaler Bedeutung ist. Ein Neuwagen muss angenehm nach Neuwagen riechen. Der Fachmann spricht dann von "geruchsneutral". Auf keinen Fall darf das Auto geruchlos sein. "Sie möchten ja auch nicht in einem schalltoten Fahrzeug sitzen", sagt Lüßmann-Geiger.
Wenn es stinkt, steigt man aus
Die sinnliche Wahrnehmung des Menschen baut sich wie eine Pyramide auf. An der Spitze steht das Wohlbefinden, ganz unten der Geruch. Der Hersteller kann sich also noch so viel Mühe im Design und in der Auswahl seiner Materialien geben, wenn es unangenehm riecht, hat das Auto verloren. Der Kunde setzt sich unbewusst nicht weiter mit dem Innenraum auseinander und steigt aus.
Stoffproben im Weckglas
Doch um bei rund 500 verschiedenen Innenraum-Materialien keinen unangenehmen Duftcocktail entstehen zu lassen, muss Lüßmann-Geigers Team schon sehr früh in der Entwicklung den richtigen Riecher haben. Ihr einziges Messinstrument bleibt dabei die Nase. Meist stehen "Kostproben" vom Dachhimmel, Sitzbezug und von der Armaturentafel oder Türverkleidung auf dem Programm, ebenso PU-Schäume für Polster. Ähnlich wie früher bei der Stasi in der DDR, wo Stofffetzen "auffälliger" Personen in Gläsern verwahrt wurden, um bei Flucht den Hunden etwas für die Witterung unter die Nase zu halten, stecken auch bei Audi die Materialien in gewöhnlichen Einmachgläsern, tragen Namen wie Leifheit "Frucht & Fun". "Die Behältnisse eignen sich am besten, weil sie auch bei Wärme geruchsneutral bleiben", sagt Lüßmann-Geiger.
Zwei Stunden bei 80 Grad Celsius steckt jedes der Zigarettenschachtel großen Probestückchen im Weckglas, um möglichst intensiv auszudünsten. Dann heißt es: Deckel ab und Nase rein. Die Bewertungsskala entspricht dem Schulnoten-System, Eins steht für "geruchlos", Sechs für "unterträglich". Die Grenze der Toleranz verläuft bei Drei minus. Platz für Kommentare bleibt auf dem Bewertungsbogen natürlich auch. Dort stehen dann Worte wie "fischig", "muffig", blumig", "frisch" oder "brenzlig". Die Geruchstests lassen sich allerdings nicht im Akkord durchführen., Nach fünf bis sechs Tests brauchen die Nasen eine Riechpause von gut zwei Stunden.
Die Nase bleibt das beste "Gerät"
Da drängt sich die Frage auf, warum es keine elektronischen Riechgeräte gibt? "Die gibt es", sagt Oberschnüffler Lüßmann-Geiger, "doch die Geräte, die unter dem Namen "elektronische Nase" angeboten werden, haben mit der menschlichen Nase nur den Namen gemeinsam. Die Sensoren können das detektierte Signal keiner geruchlichen Note oder Qualität zuordnen. Zudem ist die Empfindlichkeit um Längen schlechter."
Am Ende soll der Innenraum in jedem Audi eine gute, neutrale Geruchsnote haben. Eine Mischung, die den bekannten Neuwagengeruch ergibt. Die Möglichkeit, den Autos ein bestimmtes Aroma zu geben, besteht natürlich. "Ein parfümierter Duft wird nur von 40 Prozent der Testpersonen als angenehm empfunden" sagt Lüßmann-Geiger, "daher wird es in einem Audi-Cockpit nie einen künstlichen Duft geben."