Die vom Boulevard immer beschworene Russenpeitsche hat Deutschland erneut heimgesucht. Polarluft schaufelt klirrende Kälte nach Deutschland und bringt scheinbar längst vergessen geglaubte Bilder von kilometerlangen Staus, gesperrten Autobahnen und Schneechaos in die Nachrichten. Jeder, der mit einem Smartphone beim Skifahren war, weiß, dass knackige Kälte Gift für die sensiblen Akkus ist. Das ist beim Auto nicht anders. Je tiefer das Quecksilber fällt, desto geringer wird die Reichweite. Bei doppelten Minusgraden schrumpft die Kilometerzahl eines BEVs um bis 30 Prozent und mehr. Dieser Umstand kann den Unterschied zwischen Decke und Gulaschkanone oder warmes Bett zu Hause ausmachen. Die Anzahl von zugelassenen Elektrofahrzeugen ist in Deutschland im vergangenen Jahr auf rund 136.000 Stück und damit um etwa 64 Prozent im Vergleich zu 2019 gestiegen. Umso wichtiger ist es, dass die Halter für die besonderen Herausforderungen bei Schnee und frostigen Temperaturen vorbereitet sind.
Kälteschock

Was ist zu tun, um die Batterien möglichst optimal zu nutzen? Dass man das Auto und die Batterien vorheizen sollte, solange sie am Stromnetz hängen, liegt auf der Hand. Haben die Zellen die optimale Betriebstemperatur, halten sie länger durch und nehmen die Energie - zum Beispiel durch Rekuperation - deutlich besser auf, als wenn sie ausgekühlt sind. Diese Eigenschaft beeinflusst auch das Schnellladen jenseits der 50 kW: Eine ausgekühlte Batterie braucht länger, bis sie voll ist, als das bei einer wohltemperierten der Fall ist. Also ist es ratsam, die Batterie erst warm zu fahren, ehe es an den DC-Lader geht. Während der Fahrt heißt es gerade im Winter den Verbrauch so niedrig zu halten. Dafür ist der Eco-Fahrmodus am besten geeignet, denn so schlägt man mehrere Fliegen mit einer Klappe: Durch die geringere Motorleistung reduziert sich der Verbrauch, schnell fahren ist ja ohnehin schwer. Außerdem müssen so die Regelsysteme weniger oft eingreifen, was ebenfalls den Stromdurst nach unten drückt.
Weitere wichtige Stellhebel sind natürlich die elektrischen Verbraucher. Das Positive ist, dass die Batterie von sich aus Wärme produziert und das im Grund vom ersten Kilometer an. Allerdings reicht die nicht immer, um den Innenraum zu erwärmen. Die meisten Hersteller bieten deswegen bei ihren Elektroautos eine Wärmepumpe an, die das Thermomanagement des Autos effizienter gestaltet. Das entlastet die Batterie, die keine Zusatzheizung mit Strom versorgen muss und erhöht die Reichweite um 20 bis 30 Prozent. "Eine Wärmepumpe gehört in jedes Elektroauto und darf keine Sonderausstattung sein", sagt Bernd Gilgen, Geschäftsführer von M Plan, einem Unternehmen, das sich im "Mobility Engineering" spezialisiert hat. Für den Experten ist auch klar, wohin die Reise bei diesem hilfreichen Bauteil geht: "Kompakter, leichter, effizienter."
Eine gute Idee ist auch, die Luftheizung des Autos auf das Nötigste herunterzufahren und einzelne Aggregate zu nutzen. Eine Temperatur von 19 Grand reicht völlig aus. Also die Sitzheizung, Lenkradheizung, Frontscheiben- und Heckscheibenheizung (bis die klare Sicht herrscht) ein, denn diese Wärmespender verbrauchen deutlich weniger Energie als die Luftheizung, die ein wahrer Stromfresser ist. Vor allem, wenn noch die Klimafunktion aktiviert ist. Beim Heizen empfiehlt es sich, auch die Umluftfunktion zu aktivieren. So wird die Fahrgastzelle schneller warm und dadurch weniger Energie verbraucht. Dass man das Auto wie eingangs erwähnt per App vorheizen sollte, versteht sich fast von selbst. Genauso wie die Tatsache, den Wagen immer in die Garage zu stellen, auch wenn es keine Lademöglichkeit gibt. Schließlich hilft jedes Grad, um das es im Auto-Unterschlupf wärmer ist, als wenn man im Winter unter der Laterne parkt. Wer keine Garage hat, sollte an einem geschützten Ort parken; auch so wird verhindert, dass das Elektroauto stark auskühlt.
Ein Vorteil hat das Elektroauto gegenüber dem Fahrzeug mit klassischem Verbrennungsmotor. "Es springt immer an", schmunzelt Bernd Gilgen. Auch bei arktischen Temperaturen, wie sie aktuell in manchen Teilen Deutschlands herrschen. Allerdings nur, wenn man weiß, wie man die sensiblen Energiespender hegt und pflegt. Das hilft auch der Reichweite und verhindert das Telefonat mit dem Abschleppdienst. "Wer es nicht mehr bis zur nächsten Ladesäule schafft, sollte in jedem Fall rechtzeitig reagieren: Bleibt das Fahrzeug auf der Straße stehen, wird es schnell zum gefährlichen Hindernis und das kann ein saftiges Bußgeld einbringen", erklärt Alexander Held, Versicherungsexperte der Verti Versicherung AG, "wer fernab der Lademöglichkeiten strandet, hat oftmals die Option, Pannenhilfe durch den Hersteller zu bekommen - vorausgesetzt, die Neuwagengarantie ist noch nicht abgelaufen."