Wild-West-Shooter? Coole Sache. Revolverduelle unter der Mittagssonne. Zünftige Saloon-Schlägereien. Atemberaubende Verfolgungsjagden zu Pferd. Davon ist "Call of Juarez" meilenweit entfernt - aber nur in den ersten Minuten. Grund für die Enthaltung, die den Spielspaß zu Beginn extrem einbremst, ist die Tatsache, dass das Game zwei Protagonisten kennt.
"Die Kerze" hält sich im Schatten
Auf der einen Seite steht Billy "Die Kerze". Namenlos, seines Zeichens Halbweise und Halbmexikaner. Mangels Könnens und aufgrund stockenden Munitionsnachschubs greift der junge Kerl bevorzugt zur Peitsche oder geht seinen Feinden komplett aus dem Weg.
Da sich aber ein Wild-West-Held nicht so gut verstecken kann wie "Splinter Cell"-Agent Sam Fisher, machen diese Einlagen bis auf wenige Ausnahmen - etwa der Besuch bei Molly - nur bedingt Spaß. Erschwerend kommt hinzu, dass die KI der Feinde keinen besonders sattelfesten Eindruck macht. Manchmal entdecken die Gegner Billy, obwohl er prima versteckt ist. Dann wiederum wenden sie sich ab, wenn er sich mehr schlecht als recht hinter einem Baum postiert. Schuld ist vermutlich der jahrelange Whiskeykonsum...
Gottesfürchtig und erbarmungslos
Die zweite Person, in dessen staubige Klamotten der Spieler immer wieder schlüpft, ist Reverend Ray McCall - ein Paradebeispiel für einen Westernhelden. Vergebung ist für den ehemaligen Revolverhelden nur ein Wort Gottes. Er selbst kennt keine Gnade.
Angesichts dieser Schießwut möchte man gar nicht glauben, dass die beiden Typen miteinander verwandt sind - zumindest entfernt. McCall ist der Bruder von Billys Stiefvater, der gemeinsam mit seiner geliebten Mutter brutal gemeuchelt wird. Dummerweise glaubt der rachsüchtige Priester, Billy hätte die beiden auf dem Gewissen und jagt ihn fortan kreuz und quer durch die Prärie. Ein wunderbarer Kniff, die ohnehin packende Geschichte noch spannender zu gestalten. Denn zwischen Jäger und Gejagtem liegt oft nur ein Zufall - oder Heerscharen von Banditen, die McCall mit dem Gebetsbuch in der rechten und dem Revolver in der linken Hand über den Jordan schickt.
Die Kunst des Zielschießens
Herausragend bei den Schießeinlagen ist der "Konzentrationsmodus". Sobald der Spieler seine Waffen zieht, tauchen zwei Fadenkreuze auf dem Monitor auf, und das Geschehen findet in Zeitlupe statt. Die Verlangsamung erlaubt es, mehrere durchaus auch aus verschiedenen Richtungen angreifende Feinde in einem Rutsch zu erledigen. Klasse: Die beiden Waffen lassen sich unabhängig voneinander abfeuern, was den Realismusgrad erhöht. Auch kann der Pistolero in den Schnellfeuermodus schalten und so seine Trommel innerhalb von Sekunden leeren. Aber auch das präzise Zielen hat seine Reize: Schaltet der Gamer in den "Anvisieren"-Modus, wird der Gegner scharf herangezoomt, die Umgebung verschwimmt hingegen - ein toller Effekt! Pferde sind natürlich auch von der Partie, Cowboys können schließlich nicht zu Fuß durch die Pampa joggen. Allerdings wirken die Gäule etwas fußlahm animiert...
Call of Juarez
Hersteller/Vertrieb | Techland/Ubisoft |
Genre | Action |
Plattform | PC |
Preis | ca. 50 Euro |
Altersfreigabe | ab 18 Jahren |
Optisch hinterlässt das Game dennoch einen grandiosen Eindruck. Bombastisch ist die Weitsicht, überragend sind die Spezialeffekte - einen potenten Rechner mit Shader-3.0-fähiger Grafikkarte stets vorausgesetzt. Die "unwichtigen" Gegner scheinen hingegen allesamt miteinander verwandt zu sein, so häufig trifft der Spieler auf bekannte Gesichtstexturen. Dafür wurden erstklassige Synchronsprecher engagiert, Die integrierte Mehrspielervariante umfasst die Modi "Raubüberfall", "Goldfieber", "Skirmish" und "Deathmatch". Spaß machen aber nur die beiden erstgenannten, teambasierten Varianten. Ach ja, der Titel. "Call of Juarez" spielt auf einen legendären Goldschatz an, der jeden in das Verderben zieht...