Als so genannter "Gemeiner" hat man keine Chance - ganz egal, ob man nun Handwerker ist, Patron, Gelehrter oder gar die Karriere eines Gauners einschlägt. Mittellos, alleinstehend, wenig respektiert - so startet das Alter Ego des "Gilde 2"-Spielers im Jahre 1400 seinen Werdegang in der mittelalterlichen Stadt. Es gilt, aus diesem Tief herauszukommen, beruflich etwas zustande zu bringen und zu einem angesehenen Mitglied der Gesellschaft aufzusteigen. Doch wie fängt man das an?
Einfach mal eine Dynastie gründen
Sich eine reiche Frau suchen? Warum nicht! Aber bald schon stellt man fest, dass die "guten Partien" für einen Gemeinen sehr schwer zu erobern sind. Also umgarnt man eine Dame aus nur geringfügig höherem Stand, macht ihr Komplimente, schenkt ihr Preziosen und hofft, dass sie eines Tages "Ja" zum Heiratsantrag sagt. Hat man erst einmal eine Gattin gefunden, lockt man sie ins Schlafgemach des bescheidenen Heims, zieht dezent den Vorhang zu - und arbeitet mit ihr im Verborgenen an der Gründung einer einflussreichen Dynastie...
Parallel dazu sorgt der Aufbau eines kleinen Betriebs für die ersten Goldstücke im Beutel, mit denen sich der Spieler wiederum bei der Stadt die Bürgerrechte erkauft. Der neue soziale Status öffnet einem dann schon so manche Tür, und der frischgebackene Bürger bewirbt sich um sein erstes politisches Amt - auch wenn es vielleicht nur das des örtlichen Henkers ist, bringt das ein weiteres Plus an Ansehen und Einkommen.
Die Versuchung ist groß, dem Glück bei der städtischen Karriere ein wenig nachzuhelfen. Man umschmeichelt Patrizierinnen und steckt dem einen oder anderen Ratsmitglied in unbeobachteten Momenten kleine Aufmerksamkeiten zu. Doch Vorsicht vor Zeugen: Andere Bürger sammeln akribisch Beweise und werden sie garantiert zu gegebener Zeit vor Gericht präsentieren. Wer der Korruption für schuldig befunden wird, hat mit empfindlichen Strafen zu rechnen. Aber selbst während des Prozesses gibt es noch Möglichkeiten, die Beteiligten auf seine Seite zu bringen...
Ohne Vitamin B geht gar nichts
"Die Gilde 2" bietet unerschöpfliche Möglichkeiten, am Aufstieg der eigenen Dynastie zu arbeiten. Man kann sich als Wohltäter der Gemeinschaft einen Namen machen, mit Familienmitgliedern in andere Wirtschaftszweige expandieren, politischen Einfluss auf die Geschicke der Stadt nehmen, und, und, und. Um seine Ziele zu erreichen, gilt es, stets die Sympathien der entscheidenden Mitbürger zu genießen - "Vitamin B" oder ein "Netzwerk", wie es neudeutsch heißt, spielte auch schon im 15. Jahrhundert die entscheidende Rolle. Wer es etwas härter will, darf auch die Betriebe konkurrierender Dynastien sabotieren und politische Gegner vor Gericht anschwärzen oder gar ein Duell provozieren.
JoWoods Mittelalter-Panorama lässt dem Spieler größtmögliche Freiheit bei der Gestaltung seiner Karriere. Auf die ursprünglich geplante Kampagne mit vorgegebenen Zielen wurde in "Die Gilde 2" leider verzichtet.
Erscheint die Steuerung zunächst etwas verwirrend und umständlich, findet man schnell die vielen praktischen "Short Cuts" heraus, die über die Charakterporträts, die Gebäude-Icons und die Buttons am linken unteren Bildschirmrand führen. Viele Abläufe, wie etwa das Ressourcenmanagement in den Handwerksbetrieben, lassen sich flexibel automatisieren. Trotzdem bleibt den Charakteren das viele Gelaufe nicht erspart. Sie rennen ihren Angebeteten hinterher, müssen Termine im Rathaus wahrnehmen, ihre Arbeiter antreiben und so weiter. Zwar erweitern sich die Handlungsmöglichkeiten mit zunehmender Spieldauer, viele Abläufe (Ratsversammlungen, Gerichtsverhandlungen) wiederholen sich jedoch zu oft in gleicher Form und verlieren damit an Reiz.
Bugs vermiesen den Spaß
Sowohl grafisch als auch vom Sprachduktus her bringt "Die Gilde 2" die Mittelalter-Atmosphäre sehr glaubhaft rüber - aber auch trotz Patch kann es auf manchen Systemen immer noch zu ärgerlichen Aussetzern kommen. So scheinen Unzulänglichkeiten in der Speicherverwaltung dazu zu führen, dass "Die Gilde 2" immer langsamer wird, je länger man spielt. Das starke Ruckeln beeinträchtigt dann durchaus den Spielspaß - ebenso diverse Logikfehler, wenn man zeitweise aus unerfindlichen Gründen sein eigenes Wohnhaus nicht mehr betreten oder sich nicht mehr um Ämter bewerben kann. Um alle größeren Bugs zu beheben, muss 4Head zweifellos noch einen weiteren Patch nachschieben.
Die Gilde 2
Hersteller/Vertrieb | 4Head/Jowood/ Kochmedia |
Genre | Strategie |
Plattform | PC |
Preis | ca. 45 Euro |
Altersfreigabe | ab 12 Jahren |
Geht man davon aus, dass die schlimmsten Fehler in den nächsten Wochen behoben werden, ist "Die Gilde 2" auf jeden Fall ein faszinierendes Programm, das durch seine vielfältigen Möglichkeiten und die rollenspielähnliche Charakterentwicklung für wochenlangen Spielspaß sorgen kann.