"Scratches" Nach dem Einzug kam die Angst

Grafisch hinkt das Grusel-Adventure "Scratches" seiner Zeit weit hinterher. Dennoch erwartet PC-Spieler eine schrecklich-schöne Atmosphäre.

Michael Arthate ist Schriftsteller und arbeitet an seinem zweiten Horror-Roman. Um ungestört werkeln zu können, kauft er sich ein abgeschiedenes viktorianisches Landhaus und zieht sich zum Schreiben zurück. Doch in Blackwood Manor wartet mehr Inspiration auf ihn, als ihm lieb sein kann: Der Autor erlebt den Horror nicht mehr als nette Fiktion, sondern als erschreckende Realität am eigenen Leib.

Was er vielleicht hätte wissen müssen: Lange Zeit stand Blackwood Manor leer. In den 60er-Jahren ermordete hier der damalige Besitzer James T. Blackwood seine Ehefrau. Bevor ihm dafür der Prozess gemacht werden konnte, erlag er einem Herzversagen. Ein Arzt, der das Anwesen danach für mehrere Jahre bewohnte, verschwand auf mysteriöse Weise spurlos.

Wenn der Spieler in der Person von Michael Arthate auf dem Grundstück ankommt und erst den Garten und anschließend das Haus vorsichtig erkundet, fühlt er sich beklemmend einsam und doch irgendwie beobachtet. Die Wanduhr im Eingangsbereich tickt monoton und unablässig - zunächst das einzige Geräusch. Bis einen laut und schrill das Klingeln des antiquierten Telefons aufschreckt. Von diesem Moment an lässt die Anspannung während des gesamten Spiels kaum mehr nach: Hinter jeder Tür, in jedem Zimmer fürchtet man den nächsten Schockeffekt. Das Raffinierte dabei: Ähnlich wie im Harrison-Ford-Streifen "Schatten der Wahrheit" sind es in "Scratches" meist nicht brutale Horrorszenen, die dem Spieler die Gänsehaut den Nacken hoch treiben, sondern die eigene Fantasie, die ihm üble Streiche spielt.

"Scratches" ist ein traditionelles Point&Click-Adventure, das mit wahrhaft spartanischen Mitteln eine ungeheuer dichte Atmosphäre erzeugt. Man inspiziert die Geheimnisse von Blackwood Manor ausschließlich mit der Maus - der kontextsensitive Hand-Cursor signalisiert, wo sich Gegenstände näher unter Augenschein nehmen lassen. Mit einem einfachen rechten Mausklick verschafft man sich Zugang zum Inventar.

Puzzles in "Scratches" gestalten sich in der Regel logisch und simpel - meist gilt es, einen Gegenstand zu finden, um ihn an einer anderen Stelle des Hauses einzusetzen. Hilfestellungen sind jedoch eher spärlich gesät und Gegenstände teilweise schwer zu finden. So irrt Arthate schon in der Anfangsphase ziemlich lang ratlos umher, um die Kerzen zu finden, die er braucht, um im Haus die ausgefallene Stromversorgung wieder in Gang zu bringen. Lange Laufwege und stupides Durchsuchen von Schränken sind denn auch die kleinen Motivationsbremsen von "Scratches".

Nicht so sehr die Optik, sondern vielmehr die (auch in Dolby Surround verfügbare) Soundkulisse verleihen "Scratches" seine intensive Gruselatmosphäre, die an Klassiker wie "Alone in the Dark", "Realms of the Haunting" und "Resident Evil" denken lässt. Sparsam eingesetzte melancholische Musikeinlagen, der äußerst geschickte Umgang mit Geräuschen und eine sehr professionelle Sprachausgabe lassen hier nichts zu wünschen übrig. Als Michael Arthate ist hier übrigens Marcus Off zu hören, der Johnny Depp in "Fluch der Karibik" seine deutsche Stimme lieh.

Grafisch hinkt "Scratches" seiner Zeit ähnlich hinterher wie das Mobiliar von Blackwood Manor moderner Wohnkultur. Die Bilder wirken zuweilen kantig, etwas verwaschen und eine Spur zu steril. Aber vielleicht trägt auch dieser unfreiwillig nostalgische Effekt mit zur besonderen Stimmung dieses Abenteuers bei.

Scratches

Hersteller/Vertrieb

Nucleosys/ Rondomedia

Genre

Adventure

Plattform

PC

Preis

ca. 30 Euro

Altersfreigabe

ab 16 Jahren

Leider ist nach knapp zehn Stunden schon Schluss mit Gruseln. Angesichts des günstigen Preises von 30 Euro kann man bei "Scratches" jedoch trotzdem bedenkenlos zuschlagen. Für größeren Ärger könnte allenfalls wieder einmal der Kopierschutz sorgen, der auf manchen Systemen massive Probleme bereitet. Es wird höchste Zeit, dass sich die Hersteller von Computerspielen für derartige Spielspaßhemmer eine vernünftige, kundenfreundliche Lösung einfallen lassen!

TELESCHAU
Herbert Aichinger/Teleschau

PRODUKTE & TIPPS