Scheibes Kolumne Musik-CD am Ende?

Kolumnist Scheibe geht gerne mit der Zeit und kann sich an allen neuen technischen Erfindungen regelrecht berauschen. Als damals in den Achtzigern die Audio-CD aufkam, hat er sofort seine Vinyl-Alben zum Second-Hand-Laden seines Vertrauens geschleppt. Jetzt überlegt er, ob er das mit seinen Audio-CDs nicht auch tun sollte.

Ich gebe zu: Ich gehe gerne mit der Zeit und kann mich an allen neuen technischen Erfindungen regelrecht berauschen. Als damals in den Achtzigern die Audio-CD aufkam, habe ich sofort meine Vinyl-Alben zum Second-Hand-Laden meines Vertrauens geschleppt. Jetzt überlege ich, ob ich das mit meinen Audio-CDs nicht auch tun soll.

Vinyl war irgendwann abgehakt

Bernd Kling, inzwischen als PC-Journalist und Übersetzter vielen Leuten bekannt, hatte in den Achtzigern noch einen kleinen "Kruschtel"-Laden namens Xoom in der Berliner Zillestraße. Den steuerte ich damals als Teenager und später als Twen immer an, wenn ich Bücher, Comics, zerlesene Playboy-Hefte oder Schallplatten zu verkaufen hatte. Ich erinnere mich noch an seine ungläubig geöffneten Augen, als ich seinerzeit mit drei Umzugskisten voller Vinyl-Schallplatten bei ihm auftauchte – und sie ihm verkaufte. Knapp vier Mark gab es damals für eine einzelne Scheibe. Das Geld investierte ich gleich wieder, um mir meine Lieblingsscheiben neu auf CD zu kaufen. Meinen alten Plattenspieler verschenkte ich damals an einen Kumpel. Vinyl war für mich anschließend abgehakt und Polycarbonat angesagt.

Ich würde gerne alles digitalisieren

Ich gehe gerne mit der Zeit und mit der Technik. Natürlich habe ich inzwischen bereits meinen VHS-Videorekorder in die Mottenkiste gesteckt und meine sämtlichen Bänder verschrottet. Wir sind doch im DVD-Zeitalter. Wahrscheinlich bin ich mit dieser Denke der perfekte Kunde für die Medienfirmen und Hardware-Hersteller. Meine analoge Kamera habe ich inzwischen längst gegen eine digitale eingetauscht. Zu gerne würde ich auch unsere alten Papierfotoalben einscannen, um den Wechsel ins digitale Zeitalter vollends zu vollziehen. Meine Frau schützt die Alben nur leider mit ihrem Leben – und mit dem Nudelholz.

Ist die Audio-CD am Ende?

Das gibt mir die Zeit, um mir Sorgen über die Audio-CD zu machen. Es ist kein gutes Zeitalter für die Audio-CD. 2001 wurden erstmals mehr Rohlinge verkauft als bespielte CDs. 2002 ging der Umsatz des deutschen Tonträgermarktes um satte 11,3 Prozent zurück. Schuld an dieser Misere ist meiner Meinung nach nicht die Unlust der Fans, Musik zu hören. Auch die Raubkopierer sind nicht allein die Bösen. Schuld an der Misere ist auch das inzwischen überholte Format der CD an sich. Man stelle sich das einmal vor: Gerade einmal zehn Songs passen auf eine solche Silberscheibe. Im Büro höre ich aber gerne rund um die Uhr Musik. Nur das lästige Wechseln der Scheiben nach ein paar Minuten geht mir ganz schön auf den Sender. Inzwischen habe ich die meisten meiner CDs gerippt und spiele die Songs direkt von der Festplatte aus ab. WinAmp als Jukebox wird morgens mit knapp tausend Songs gefüttert und dudelt dann den ganzen Tag einen Song nach dem anderen, ohne sich dabei zu wiederholen.

Digitale Jukeboxes gehen überall hin

Dieser Luxus, eine eigene digitale Jukebox zu nutzen, bestimmt zunehmend mein Leben. Für den Urlaub habe ich eine MP3-Jukebox angeschafft, die 20 Gigabyte Musik frisst und über kleine Boxen für Stimmung sorgt. Beim Joggen habe ich ein kleineres Gerät in der Hosentasche, das 64 Megabyte Musik aufnimmt und sich an der Tankstelle PC immer wieder neu auffüllen lässt. Sogar mein Pocket PC lässt sich mit der Musik aus der Konserve füttern.

Alternative Audio-DVD?

Kurzum: Eine CD mit gerade einmal zehn Songs klingt für mich einfach nicht mehr zeitgemäß. Schon gar nicht zu diesem horrenden Preis, der immer noch verlangt wird. Ich warte eigentlich schon lange händeringend auf die MP3-CD, die statt zehn Songs vielleicht gleich hundert auf einmal anbietet. Dann lohnt sich der Kauf wenigstens. Dass die Kunden durchaus bereit sind, für neue Medien mehr Geld zu bezahlen, sieht man ja im DVD-Bereich. Musik-DVDs mit aufgenommenen Konzerten kommen immer mehr in Mode – ein neuer Absatzmarkt entsteht?

Die Plattenindustrie macht's falsch

Doch was macht die Plattenindustrie? Anstatt auf die neuen Kundenbedürfnisse einzugehen und über einen Wandel des Mediums nachzudenken, werden die CDs stattdessen kopiergeschützt. Ich habe kein allzu großes Problem damit, mir die neuen CDs meiner Lieblings-Bands für teures Geld zu kaufen. Auch wenn ich finde, dass auf den Scheiben kaum etwas drauf ist. Ich habe aber sehr wohl ein Problem damit, wenn diese Scheiben nicht auf meinem PC oder auf meinem DVD-Player laufen. Ich habe den Stand-alone-CD-Player im Büro und auch im privaten Wohnzimmer längst abgebaut, weil ja die anderen Geräte ebenfalls dazu in der Lage sind, die Scheiben abzuspielen. Jetzt geht das auf einmal nicht mehr: Meine Frau konnte letztens eine neue CD im ganzen Haus nicht zum Abspielen bringen. Kein Wunder, dass die Fachzeitschrift c’t diese kopiergeschützten Scheiben bereits „Un-CDs“ nennt – und erklärt, wie ihr Kopierschutz funktioniert.

Mit diesen Un-CDs gräbt sich die Plattenindustrie jedenfalls ein besonders tiefes Loch. Ich kaufe jedenfalls keine CDs mehr, die auf meinen Geräten nicht funktionieren. Überhaupt: Ich habe bereits genug Scheiben auf Lager und kann die nächsten Jahre gerne auch nur in Gesellschaft von Pink Floyd, Neil Young, Nick Cage oder Alicia Keys verbringen. Wenn es das ist, was die Industrie möchte...

<a class="link--external" href="mailto:scheibe@typemania.de">Carsten Scheibe</a>

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