Meist kommen sie am frühen Nachmittag. Die Beamten tragen schwarze Barette und Kampfstiefel, zwei Mann sichern die Tür. Als Erstes rufen sie: »Hände weg von der Tastatur!« Dann verteilen sie sich blitzschnell im Internet-Café: Niemand soll noch schnell illegale Bildschirminhalte wegklicken können. Die Computer werden gefilzt, die Personalien der Gäste notiert. Nach 15 Minuten sind die Ermittler weg. Dann gehen auf den Bildschirmen wieder virtuelle Polizisten auf Verbrecherjagd. Und der Betreiber des Cafés hat meist eine Anzeige am Hals.
Kein Café ohne Beanstandung
Mit einem regelrechten Feldzug gehen die Berliner Behörden zurzeit gegen Internet-Cafés in der Hauptstadt vor. Eigentlich sollen die Gäste dort bei Kaffee und Snack gegen Gebühr chatten, mailen und surfen. Doch das ist oft nicht mehr so: Mehr als 100 Razzien hat das Landeskriminalamt (LKA) bereits durchgeführt - und kein einziges Café blieb ohne Beanstandung.
Am Anfang standen Anzeigen der Eltern
»Am Anfang standen Anzeigen von Eltern und Nachbarn«, sagt LKA-Ermittlerin Gitta Huwe. Es ging um Diebstähle, Geldwäsche, Drogendeals und Urheberrechtsverletzungen. In der Szene heißt es, dass manche »Internet-Cafés« nicht einmal einen funktionierenden Internetanschluss hätten. Dort würde ausschließlich gespielt. »Wir haben 20 Ermittlungsverfahren eingeleitet und etwa 200 Ordnungswidrigkeiten festgestellt«, bilanziert Huwe. Dutzende Rechner wurden beschlagnahmt, mehrere Cafés geschlossen.
Zocken auch im Hinterhof
Seitdem Netzwerk-Spiele wie »Counterstrike« Hunderttausende Jugendliche zu Hause, auf LAN-Partys und eben auch in Kneipen in ihren Bann ziehen, versuchen immer mehr Wirte ihr Glück mit Netzwerk-Cafés: 165 registrierte gibt es allein in der Hauptstadt, hinzu kommen illegale Zockerbuden in Hinterzimmern und Wohnungen. Für ein bis drei Euro pro Stunde kann man dort Rechner nutzen, auf denen Internet- und Spielesoftware installiert ist.
Besonders für jüngere Spieler sind die Zocker-Cafés attraktiv. »Wir treffen oft Elf- oder Zwölfjährige an«, sagt Gitta Huwe vom LKA. »Der Jüngste, den wir erwischt haben, war sechs.« In manchen Cafés seien Pornos abrufbar gewesen, nicht selten würden indizierte Spiele angeboten. Huwe: »Wir wollen verhindern, dass der Spieltrieb von Kindern kommerziell ausgebeutet wird.«
Alles wird geahndet
Um dieses Ziel zu erreichen, gehen Jugend-, Gewerbe- und Finanzämter gegen jede Regelverletzung in Internet-Cafés vor, und sei es die fehlende Deklarierung von Farbstoffen auf der Getränkekarte. Zudem versuchen sie zu erreichen, dass Internet-Cafés als Spielhallen eingestuft werden und die Computer als Unterhaltungsspielgeräte: Dann müssen die Cafés strengere Auflagen einhalten und Vergnügungssteuer bezahlen - bis zu 600 Euro pro Monat und Gerät.
Einstufung als Spielhalle »wäre unser Tod«
Jetzt geht bei den Café-Betreibern die Angst um. Das Tegeler »Zocker's Inn« hat sich sicherheitshalber in »Surfer's Inn« umbenannt, bei manchen Cafés müssen Jugendliche nun draußen bleiben. »Wenn die uns als Spielhalle einstufen, ist das für uns der sichere Tod«, sagt Torsten Suchomel vom »Hellnet«-Café im Stadtteil Hellersdorf, wo die Polizei schon drei Mal war.
Die Behörden meinen es ernst
Um sich gegen die Razzien zu wehren, erwägen mehrere seriöse Internet-Café-Betreiber jetzt einen Zusammenschluss und die Herausgabe eines Gütesiegels. Denn dass die Behörden auch in Zukunft ernst machen, daran lassen sie keinen Zweifel: Gerade erst hat ein Internet-Café eine Nachzahlungsforderung über 85.000 Euro Vergnügungssteuer bekommen.