Experiment mit Facebook-Likes Alles gut zu finden, ist auch nicht gut

Was passiert, wenn man zwei Tage lang bei allem, was man auf Facebook sieht, "Gefällt mir" klickt? Ein US-Journalist hat versucht, das herauszufinden. Doch das Ergebnis gefiel ihm ganz und gar nicht.

Der Kollege macht einen schlechten Witz? Gefällt mir. Das Baby einer Freundin ist aufs Gesicht gefallen? Like. Der trashige Klamottendiscounter will, dass ich Fan werde? Na gut. Der Verwandte eines Freundes ist gestorben? Nein, das geht zu weit. Der US-Journalist Mat Honan hat ein interessantes Experiment bei Facebook gewagt: 48 Stunden lang hat er alles - wirklich alles - mit "Gefällt mir" markiert, was er bei dem sozialen Netzwerk zu Gesicht bekam. Statusmeldungen, Medienseiten, Werbung, egal. Nur der besagte Todesfall, der sei "eine Brücke gewesen, die ich nicht überschreiten wollte", schreibt Honan im Magazin "Wired".

Die Idee dahinter: Herausfinden, wie die eigenen "Gefällt mir"-Klicks (auch Likes genannt) sich darauf auswirken, was Facebook einem zeigt. Denn der Newsfeed, der Nachrichtenstrom des Netzwerks, ist längst keine chronologische Abfolge aller Beiträge mehr. Stattdessen hebt er einzelne Posts hervor und lässt andere nach unten rutschen oder versteckt sie ganz. Nach einer komplizierten Formel, abhängig von den Aktionen des Nutzers auf der Seite oder außerhalb davon, während er auf Facebook eingeloggt ist. Eine der wichtigsten Stellgrößen: die Likes.

Kein menschliches Wesen mehr im Feed

Also gab Honan dem Algorithmus Futter und markierte alles, was ihm vor die Flinte kam - von der "New York Times" über Coupon-Seiten bis zu Mitgliedern der Kennedy-Familie. Und stellte fest, dass sein Nachrichtenstrom in erstaunlich kurzer Zeit einen völlig anderen Charakter bekam. "Es waren keine menschlichen Wesen mehr in meinem Newsfeed." Stattdessen fanden sich dort nun vor allem Marken und Medien, "Inhalte-Mühlen", wie Honan sie nennt. Diese Seiten posten täglich mehr als jeder menschliche User und dominieren so schnell den Newsfeed, vor allem wenn man noch jeden ihrer Beiträge mit "Gefällt mir" markiert.

Honan bemerkte, dass ihm fast nur noch dümmliche Klatschmeldungen angezeigt wurden: Kate Perrys heißer Backup-Tänzer, Wolken in Penisform und Babys die aussehen wie Rap-Superstars. Doch auch politisch schien Facebook Honan in eine bestimmte Richtung zu ziehen. Als er abends dem Gaza-Artikel einer erzkonservativen US-Zeitung ein Like gab, war sein Feed am nächsten Morgen plötzlich voll von Einträgen aus dem gleichen Lager: Waffenfreunde, Einwanderungsgegner, republikanische Politiker. Das Gleiche funktionierte aber auch in die umgekehrte Richtung: Likes für linke Seiten spülten mehr linke Botschaften auf Honans Facebook-Startseite.

Nach 48 Stunden gab er auf

Darin liegt für den Journalisten eines der Hauptprobleme sozialer Medien - und der ganzen Gesellschaft: "Wir bilden soziale und politische Filterblasen, die sich selbst immer weiter verfestigen." Soll heißen: Man liest und schaut nur Dinge, die zu der Einstellung passen, die man ohnehin schon hat und bestärkt sich damit immer wieder in der eigenen Meinung. Alles, was nicht dazu passt, wird erst gar nicht beachtet. Doch auch innerhalb von Honans privater "Filterblase", seinem Freundeskreis, begann das Experiment Spuren zu hinterlassen. "Wurdest du gehackt?", fragte ein Kollege. Und eine Freundin amüsierte sich, ihr Newsfeed bestehe nur noch aus Sachen, die Honan angeblich gefallen: "Kein Zeug von Freunden, nur Honan-Likes."

Nach zwei Tagen hatte Mat Honan genug: "Es war furchtbar. Ich versuchte zu zählen, wie viel Zeug ich angeklickt hatte, aber es war einfach zu überwältigend." In 48 Stunden musste er mehr als eintausend Seiten "geliket" haben. Sein Fazit fiel vernichtend aus: "Dadurch dass ich bei allem auf 'Gefällt mir' klickte, habe ich Facebook zu einem Ort gemacht, wo es gar nichts mehr gibt, dass mir gefällt." Alles gut zu finden, ist wohl auch nicht gut.

tim

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