Der Kampf Sicherheit gegen Freiheit erlebt in den USA eine Neuauflage. Die US-Regierung plane eine stärkere Überwachung im Internet, berichtet die "New York Times". Ein entsprechender Gesetzesentwurf solle im kommenden Jahr im Kongress vorgebracht werden. Grund sei, dass bisherige Regelungen zur Überwachung von Kriminellen und Terroristen nicht mehr den technischen Realitäten entsprächen. Die würden ihre Kommunikation zunehmend vom Mobiltelefon ins Netz verlagern.
Deshalb sollen Telefonate über das Internet genau so leicht abhörbar werden wie klassische Anrufe über das Festnetz oder Handy. Anbieter von Kommunikationsdienstleistungen im Internet - also auch sozialer Netzwerke wie Facebook - sollen gezwungen werden, verschlüsselte Chat- und E-Mail-Nachrichten ihrer Nutzer umgehend in Klarschrift offenzulegen.
Hintertür für die Behörden
Dazu müssten Entwickler von Online-Kommunikationsleistungen dem Gesetzentwurf zufolge bereits beim Programmieren ihrer Angebote ein Hintertürchen einbauen, durch das sich die US-Behörden in mündliche Gespräche und schriftliche Chats einschalten können.
Die Regelung soll für alle Firmen gelten, die ihren Service in den USA anbieten - ausländische Unternehmen würden zu diesem Zweck verpflichtet, ein Büro in den Vereinigten Staaten einzurichten, so der Bericht weiter.
Der Vorstoß trägt der Erkenntnis von Sicherheitsbehörden Rechnung, dass Terroristen und Kriminelle immer besser unbemerkt über das Internet miteinander kommunizieren und ihre Aktionen vorbereiten können. Bei der Bundespolizei FBI etwa bezeichnet man diese Praxis als "going dark", was bedeutet, dass die Verdächtigen im Dunkeln, im Verborgenen agieren. Zahlreiche Anbieter weltweit ermöglichen private Gespräche über verschlüsselte E-Mails, in abgeschlossenen Chat-Räumen oder in Sozialen Netzwerken. In vielen Fällen können Verbrechensbekämpfer nicht oder erst nach Wochen oder Monaten auf die Daten zugreifen.
"Zurück in die Zeit des Telefons"
Vertreter der Sicherheitsbehörden argumentieren, dass sie bereits seit 1994 das Recht zum Abhören haben. Damals trat ein entsprechendes Telekommunikationsgesetz in Kraft, dass nach aktueller Rechtsprechung auch für jegliche Internetangebote gilt. Bei Bürgerrechtsgruppen ist diese Auslegung umstritten. "Wir sprechen darüber, unsere Möglichkeiten aufrechtzuerhalten, unsere bereits bestehende Befugnis zu nutzen", sagte FBI-Justiziarin Valerie Caproni. Es gehe auch nur um richterlich genehmigte Abhöraktionen.
Datenschützer und Internetexperten sprechen dagegen von massiven negativen Auswirkungen für das Web. Wichtige Bausteine, die das Internet zu dem machten, was es heute sei, würden infrage gestellt werden - so zum Beispiel die dezentrale Architektur, der Datenverkehr läuft über Server in aller Welt. "Sie wollen schlicht die Uhr zurückdrehen und Internetangebote so umbauen, wie das Telefonsystem einmal funktionierte", sagte James Dempsey vom Center für Democracy and Technology der Zeitung.
Andere Fachleute warnen, dass die Hintertürchen, die künftig eingebaut werden sollen, auch bestens von Hackern genutzt werden könnten. Zudem sei es für internationale Anbieter von Verschlüsselungsdiensten kaum hinnehmbar, ihre Produkte künstlich zu beschneiden, nur weil die USA das wollten. Sie würden auf dem Weltmarkt sofort ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
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