Zuhause-Tarife Mein Handy, mein Zuhause

Für das gute alte Telefon wird's eng: Immer mehr Deutsche telefonieren nur noch per Handy mit den Homezone-Tarifen. Der stern erklärt, wie's funktioniert.

Andre Wilken sitzt in der Mensa - wie jeden Tag. Der 23-Jährige studiert Medizin an der Uni Göttingen. Sein Handy klingelt, Sina ist dran, seine Freundin. "Wie geht's, was machst du?" Es ist ein alltägliches Gespräch - und doch ein besonderes. Denn eigentlich hat Sina gar nicht auf seinem Handy angerufen, sondern bei ihm zu Hause, bei einer normalen Telefonnummer mit Göttinger Vorwahl, ein normaler Anruf ins gute alte Festnetz. Dass das Handy trotzdem klingelt, liegt an einem Handy-Tarif, mit dem Andre überall "zu Hause" ist, ein Tarif, der sich anschickt, das Telefon von früher zu verdrängen. Nicht nur Andre kann damit viel Geld sparen.

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Und das funktioniert so: Andre bekommt von seinem Anbieter zwei Nummern, eine übliche Handy-Nummer und eine Nummer mit Göttinger Vorwahl. Die zweite ist die interessante, denn sie ist nun seine Nummer für "zu Hause". Wer diese Nummer wählt, merkt nicht, dass er auf einem Handy anruft und nicht auf einem normalen Telefon - er muss auch keine teuren Handy-Gebühren bezahlen. Für Andre ändert sich jedoch einiges: Ist er zu Hause, kann er mit seinem Handy billiger telefonieren, ab drei Cent die Minute ins Festnetz zum Beispiel. "Zu Hause" ist Andre, wenn er sich in einem Bereich aufhält, den er zuvor bei seinem Tarif-Anbieter als "Homezone" definiert hat.

Und dieser Bereich ist nicht nur seine Wohnung: Andres "Homezone" ist die gesamte Göttinger Innenstadt, mit Uni und Lieblingskneipe. Verlässt er diese Zone, kann ihn immer noch jeder über die neue Nummer erreichen, nur wird es für Andre ein wenig teurer.

Andre telefoniert nur noch über sein Handy. Ein normales Telefon hat er nicht mehr. Allein das spart ihm im Monat 15 Euro Grundgebühr.

Tschüs, normales Telefon?

Nur noch per Handy telefonieren? Das wird manche abschrecken. Doch wer sich traut, kann viel Geld sparen. Denn immer mehr Mobilfunkanbieter bringen Alternativen zum Festnetztelefon auf den Markt: "Vodafone Zuhause mobil" startete vergangene Woche, T-Mobile plant ein Angebot für Anfang 2006. Marktführer ist derzeit O2. Mehr als 3,3 Millionen Deutsche haben einen Genion-Vertrag, wie der "Homezone"-Tarif bei O2 heißt. Und von denen hat jeder Fünfte sein altes Festnetz-Telefon bereits abgeschafft.

Der Trend ist klar

Festnetztelefone sind schon heute in der Minderheit. 39 Millionen Anschlüsse gibt es hierzulande - und 74 Millionen Handys. Dem mobilen Telefonieren gehört die Zukunft. Andere Länder zeigen, wie groß das Potenzial ist: In Deutschland beträgt der Anteil des Mobilfunks an allen Telefonminuten gerade einmal 17 Prozent, während er in Frankreich bereits bei 37 Prozent liegt.

Mobil sein und Geld sparen, das hat Andre überzeugt: "Ich bin oft unterwegs", sagt er, "das war die beste Lösung für mich." Außerdem haben fast alle seine Kommilitonen und Freunde einen Mobilfunk-Vertrag mit "Homezone". Sie telefonieren zu Festnetzpreisen, obwohl der eine bei seiner Freundin ist und der andere im Café. Teure Handy-Nummern nutzen sie nur noch selten, denn die "Daheim-Zonen" haben einen Radius von bis zu zwei Kilometern, sagen die Anbieter. Nach Erfahrungen der Nutzer können sie jedoch noch weitaus größer sein. Gerade auf dem Land sind Reichweiten von vier Kilometern und mehr möglich. Dort kann eine einzige Heimat-Zone schon einmal ein ganzes Dorf abdecken.

So wie in der kleinen Stadt Rethem, dem Zuhause von Familie Fritsch. "Wir haben hier überall guten Empfang", erzählt Vater Andreas, "und unser 'Zuhause-Bereich' ist riesig. Fünf Kilometer mindestens." Seit die vierköpfige Familie den Tarif "Vodafone Zuhause" nutzt, verstaubt das Festnetztelefon. "Früher hatten wir irre hohe Telefonrechnungen. 150 Euro im Monat waren da gar nichts", erinnert sich Andreas Fritsch. Derzeit zahlen sie 20 Euro im Monat, für 1000 Freiminuten. "Jetzt ist es egal, wenn die Kinder nach der Schule ans Telefon rennen, um sich zu verabreden", sagt er und lacht.

Internet aus der Antennenbuchse

Nur ein Problem hat Familie Fritsch, und das ist eines, das viele haben werden: Sie konnten ihren Festnetzanschluss noch nicht kündigen, wegen ihres DSL-Internetzugangs. Denn der ist in Deutschland an einen Festnetzanschluss gekoppelt. Besser dran ist Joachim Blasius aus Saarbrücken, der bereits über "O2 Genion" telefoniert, aber auf sein Internet nicht verzichten wollte. Seine Lösung: Er empfängt sein Internet nun über den Kabelanschluss seines Fernsehers. Das klingt ungewöhnlich, funktioniert aber tadellos. Ab 20 Euro im Monat gibt es eine Flatrate, der Zugang ist sogar schneller als eine DSL-Verbindung. Blasius hat den Telekom-Vertrag gekündigt und kommt nun besser weg: "Ich spare die Grundgebühr, den DSL-Anschluss sowie die Standard-Flatrate: Das sind im Monat 25 bis 30 Euro", sagt er. Und er vermisst nichts: "Es war eine reine Gewohnheit. Ich kannte es nicht ohne Festnetz, aber nun kann ich wunderbar ohne leben."

Eine Lösung für Christina und Ralf Balley aus Neuenrade wäre das nicht, leider. Denn Internet über Kabel gibt es bis jetzt nur in den größeren Städten. Für die Balleys und andere, die keinen Kabelanschluss haben, bleibt vorerst nur eine Alternative: Surfen über das UMTS-Handy-Netz. Dies ist jedoch im Vergleich zu DSL und Kabel deutlich langsamer und wesentlich teurer. Außerdem braucht Christina Balley das Festnetz für Gespräche ins Ausland - ihr Vater wohnt auf den Philippinen. "Call-by-Call"-Vorwahlen sind per Handy nicht möglich, und so sind Auslandsgespräche über jeden Tarif teuer, da hilft auch keine "Daheim-Zone". Beim alltäglichen Telefonieren jedoch benutzen die Balleys nur noch Handys - und liegen so im Trend.

Umdenken lohnt sich für Familien, Paare, Singles. Und es ist gar nicht schlimm, dem Festnetz ganz ade zu sagen, wenn sich herausstellt, dass sich ein Tarifwechsel lohnt. Denn ein Handy, das hat heutzutage fast jeder dabei, ob draußen oder zu Hause. Und wenn mit den neuen Tarifen auch draußen "zu Hause" ist, kann man "zu Hause" von dem gesparten Geld auch mal gut essen gehen.

Mascha Jacoby
Mitarbeit: Dirk Liedtke

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